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und die ihn allein befähigt, Kultur zu schaffen, das heißt sein Wesen
in äußeren Einrichtungen und Symbolen zu objektivieren.
Von dieser Selbigkeit, die nach Wesen und Art zwischen objek-
tivem und subjektivem Geist besteht, werden wir aber nicht etwa
überzeugt durch einen Erkenntnisakt, sondern allein durch unser
Wirken: daß in der Welt des objektiven Geistes dieselben Gesetze
walten wie in unserem subjektiven Geiste, beweist uns unser Schaffen:
alles was in der Kultur ist, war einmal im Menschen. Wir und
wir allein sind die „Schöpfer“ der Kultur und bewegen uns in dieser
kleinen Welt wie Gott in der großen Welt. In dieser, unserer Welt,
sind wir tatsächlich allwissender und allmächtiger Gott.
Die Erkenntnistheorie des Verstehens ist in zwei tiefen Einsichten
fest begründet: daß wir im Grunde und durchaus nur das erkennen,
was wir auch machen können und daß nur Gleiches durch Gleiches
in seinem Wesen erkannt werden kann.
Die erste Einsicht finde ich am frühesten ausgesprochen zur Be-
gründung einer „verstehenden‘“ Soziologie bei Giambattista Vico,
wenn er sagt": „Che questo mondo civile certamente egli & stato
fatto dagli huomini: onde se ne possono perche se ne debbono,
ritrovare i Principj dentro le modificazioni della nostra
medesima mente umana. Lo che a chiunque vi rifletta sopra, dee
vecare una somma maraviglia, come tutti 1 Filosofi seriosamente
si studiarono di poter conseguire la Scienza di questo Mondo naturale,
del quale, perche@ Dio egli il fece, esso solo ne ha la Scienza;
6 traccurarano di meditare su questo Mondo delle Nazioni, 0 sia
Mondo civile, del quale, perche l’avevano fatto gli uomini, ne
potevano conseguire la Scienza gli huomini. . .“
Später haben dann viele kluge Männer denselben Gedanken ge-
äußert. Ich denke etwa an die Worte Kants: „Nur soviel sieht man
vollständig ein, als man nach Begriffen selbst machen und zustande
bringen kann.“ Oder an den Ausspruch von Novalis’: „Wir wissen
etwas nur. sofern wir es ausdrücken; das ist machen können: je fer-
77 Cinque Libri di Giambattista Vico d’ una Scienza nuova d’intorno alla
comune natura delle Nazioni. Seconda imnpressinne. 1730. pag. 169. (Die erste
Auflage erschien 1725.)
78 Novalis Schriften. Herausgegeben von L. Tieck und Fr. Schlegel.
3. Aufl. 1875. Bd. U. S. 126.