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stimmen. Sonst hätte es nicht vorkommen können, daß man den
Begriff des Idealtypus auf Erscheinungen, wie das Christentum oder
den modernen Kapitalismus, also auf historische Individuen, angewandt
hätte. Ein Individualbegriff kann doch nie und nimmer ein „Typus“
sein, und sei dieser noch so „ideal“.
Die ziemlich dunkle‘ Lage wird, wie mir scheint, durch die
schlichte Einsicht aufgehellt, daß man den Gegensatz: ideal. — real
auf alle Begriffsarten gleichmäßig anwenden kann, also auf Indivi-
Jualbegriffe, Gattungsbegriffe und Typen.
Ein Ideal-Individualbegriff ist derjenige, der die. Wesenheit
eines Individuums zum reinen Ausdruck bringt, dasjenige also, was
ein Individuum sein könnte, wenn es seinem Wesen voll entspräche,
ein Begriff, der die „Idee“ des Individuums erfaßt. Ein Real-Indi-
vidualbegriff dagegen ist derjenige, der die „zufällige“ empirische
Beschaffenheit des Individuums darstellt. Also etwa: der Begriff der
Reichsbank, wie er dem Statut und den Absichten des Gesetzgebers
entsprechen würde, und der Begriff der Reichsbank, wie diese in
ainem beliebigen Jahre tatsächlich gestaltet ist.
Nach demselben Verfahren kann man beim Gatiungsbegriff und
beim Typus die Unterscheidung in Ideal- und Realbegriff vornehmen.
Der reale Begriff wird in allen Fällen Abweichungen vom idealen
Begriff aufweisen, die wiederum „typisch“ sein müssen beim Typus,
dagegen Massenerscheinungen beim Gattungsbegriff und zeitliche Ab-
weichungen beim Individualbegriff sind.
3. Die Begriffe im System
Nach einem bekannten Ausspruch Schmollers war es dessen
Meinung (und diese Meinung darf als die herrschende angesehen
werden), daß die Wissenschaft der Nationalökonomie entstände
durch die Zusammenfassung der „nationalökonomischen Erschei-
aungen‘“ zu einem System. Diese Auffassung ist doch wohl nicht
haltbar. Danach müßte es „nationalökonomische Erscheinungen“
geben, deren wir uns nur zu bemächtigen hätten. Aber was sollte
sie erzeugen? In Wirklichkeit liegt die Sache wohl umgekehrt: erst
müssen wir ein nationalökonomisches System, d. h. eine Grundidee
haben und dann erst können wir bestimmen, was eine mational-
ökonomische Erscheinung ist. Für jeden (wissenschaftlichen) Be-