Gerade weil diese Auslassungen über die bestehende Lage
und die Ansichten darüber einen ausgesprochen äthiopischen
Standpunkt vertreten, scheint es nur recht und billig, sie in
einem unter europäischem Gesichtswinkel abgefaßten Bericht
über äthiopische Beobachtungen anzuführen. Das Äthiopien,
mit dem die heutige Welt zu tun hat, beginnt erst mit der
Regierung Meneliks V. und seinem großen Versuch der
Einigung seines Reiches durch Unterwerfung der Einzel—
völker und seiner allzu mächtigen Teilfürsten. Erst mit dem
Siege über die Italiener bei Adua im Jahre 1896 wurde
das Königreich Athiopien zu einer Macht, mit der Europa
zu rechnen hatte, und erst zwei Jahre später ermöglichte die
Verständigung mit Großbritannien den Eingang abend—
ländischer fortschrittlicher Ideen. Und wenn der Erfolg im
Vergleich mit dem von Japan in der gleichen Zeit, nachdem
es seinen Widerstand gegen die westliche Zivilisation auf⸗
gegeben hat, gering gewesen ist, so darf daran erinnert wer—
den, daß Äthiopien durch gewisse besondere Gründe in seiner
Entwicklung gehemmt wird. Nach dem Siege von Adua
konnte sich Meneliks starke Hand und sein fruchtbarer Geist
nur für die kurze Zeit von wenigen Jahren auswirken.
Während der sechsjährigen Regierung des schwachen Lidj
Hassu und seiner Regenten hatte die Macht der Teilfürsten
wieder erheblich zugenommen.
Ras Taffari tat das Außerste, um gegenüber der starken
inneren und äußeren Übermacht den durch Menelik ein—
geleiteten Fortschritt seines Landes zu fördern. Wenn auch
seine Methoden dabei ersichtlich von denen seines großen
Vorgängers abweichen, wenn er auch eine gegen die Fremden
etwas voreingenommene Politik verfolgt, so ist es nicht zu
bezweifeln, daß er im Interesse seiner Auffassung vom Fort⸗
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