Full text: Durch Abessinien und Erythräa

worden ist. Während der Nacht des 4. September 1928 er- 
tönten plötzlich Schüsse aus dem Palast der Kaiserin Zauditu 
im Gibbi. Schon ein einzelner Schuß würde Aufsehen erregt 
haben, hier aber wurden ganze Salven abgefeuert. Ras 
Taffari, damals noch Regent, aber begierig, Negus zu wer— 
den, geriet in starke Unruhe. Er war gerade im Begriff, 
die Welt davon zu überzeugen, daß sein Land vollständig 
befriedet sei, und jetzt erdröhnten Gewehrsalven innerhalb 
des Palastgebietes, die von allen Gesandtschaften und damit 
von allen durch sie vertretenen Ländern gehört wurden. 
Ras Taffari begab sich eilig zum Palast der Kaiserin, stieß 
den Befehlshaber des Hofstaates beiseite und verlangte 
Zauditu selbst zu sprechen. Von ihr erfuhr er den Grund der 
Aufregung. Eine der Hofdamen der Kaiserin, die Frau eines 
zu ihrem Hofstaat gehörenden Fitaurari, war soeben von 
einem Kinde entbunden worden. Die Schüsse waren zur 
Feier dieses Ereignisses abgefeuert worden, was durchaus 
abessinischer Sitte entsprach. Aber Ras Taffari, der wohl 
erkannte, daß die Welt nichts von der Geburt des Kindes, 
wohl aber von den Schüssen im Gibbi, dessen gespannte 
Lage bekannt war, hören würde, legte dem Fitaurari erbost 
eine Strafe von dreitausend Talern auf. Die Kaiserin fühlte, 
daß die Strafe ungerecht war, und erklärte sich bereit, die 
volle Verantwortung für die nächtliche Störung auf sich zu 
nehmen. Ras Taffari verlangte nunmehr von ihr, daß sie 
die Strafe des Fitaurari zahlen solle, was sie aber ablehnte. 
Jetzt nahm die Angelegenheit, die mit Freudenschüssen 
über die Geburt eines Kindes angefangen hatte, eine politi⸗ 
sche Wendung, und zwar eine sehr bedeutsame. Der Be— 
fehlshaber des Hofstaates zog im Auftrage Zauditus drei⸗ 
hundert Soldaten zusammen und bezog mit ihnen ein Lager
	        
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