bei dem neuen Mausoleum Meneliks. Gleichzeitig sandte
die Kaiserin einen Läufer mit der Bitte um Hilfe zu ihrem
alten Freund und Vasallen, Ras Kassa, dessen Hauptstadt
im Distrikt Selali, Provinz Schoa, etwa drei Tagereisen von
Addis Abeba entfernt, lag. Ras Kassa brach sofort mit sechs—
tausend Mann auf. Unterdessen hatte Ras Taffari Tausende
von Soldaten zusammengezogen und den Ligawa, den Be—
fehlshaber des Hofstaates Zauditus, zur Übergabe ge—
zwungen. Wohl wissend, daß Eile geboten war, da Ras
Kassa sich bereits der Hauptstadt näherte, berief der Regent
den Kronrat ein. Die Mehrzahl war gegen ihn. Unter
seinen Widersachern befand sich der Etschecki, das Haupt der
Mönchsorden. Trot der gegnerischen Übermacht, die einen
schwächeren Mann entmutigt hätte, zeigte Ras Taffari
Würde, Mut und Kraft. Sowohl den Ligawa als den
Etschecki verurteilte er zu zwölfjiähriger Verbannung in
die Provinz Kaffa, was infolge des dort herrschenden Klimas
gleichbedeutend war mit ihrem Todesurteil.
Während des nächtlichen Tumults hatten die Ausländer
in Addis Abeba Zuflucht in ihren Gesandtschaftsgebäuden
gesucht. Am nächsten Tage begab sich Belatan-Geta
Herouy, der Leiter der Auswärtigen Angelegenheiten, in
Begleitung von tausend Soldaten als Unterhändler Ras
Taffaris zu Ras Kassa. Die Zusammenkunft fand an einer
Stelle statt, die etwa eine Tagereise von Addis Abeba ent—
fernt lag, und endete mit dem Abschluß eines Friedensver—
trages. Nachdem Ras Kassa eine bedeutende Geldsumme
und die Zusage eines Regierungsamtes empfangen hatte,
erklärte er sich bereit, Ras Taffari zu unterstützen. Er
lehnte aber Taffaris Forderung ab, den entthronten Lidj
Yassu, der unter seiner Bewachung stand, auszuliefern.
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