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Die Darstellung von Farben aus Bestandtheilen des Steinkohlentheers hat in
den letzten Jahren eine Ausdehnung und Bedeutung gewonnen, wie kein zweites
Gebiet unserer Industrie. Stoffe, welche noch vor wenigen Jahren kaum der
Beachtung werth gehalten wurden, dienen jetzt als Basis einer Fabrikation,
welche Tausende von Arbeitern beschäftigt und für Millionen Mark I’roducte in
den Handel bringt.
Diese Thatsache an und für sich^ besonders aber die Neuheit dieser ganzen
Industrie und die geringen Erfahrungen, welche auf dein Gebiete der öffentlichen
Gesundheitspflege sowohl über einen grossen Theil der Rohmaterialien, als auch
der fertigen Producte gesammelt werden konnten, rechtfertigen hinreichend, die
sem Zweige der Industrie unsere Aufmerksamkeit zu sclienken. und als Beitrag
zu diesem Zwecke möge nachstehende Arbeit, welche die Theerfarben-Fabriken
der Herren Meister, Lucius & Brüning zu Höchst a. Main zum Gegenstände
hat, betrachtet werden.
Solche Arbeiten von Aerzten über Fabriken haben jedoch nur einen geringen
Werth, wenn sie sich auf die Aufzählung und Zusammenstellung der bei den be
treffenden Arbeitern beobachteten Krankheiten beschränken; der Hauptwerth sol
cher Arbeiten liegt neben der sanitären Würdigung der verwendeten Rohstoffe und
dem Verfolg aller mit diesen bis zur Fertigstellung der angestrebten Fabrikate
vorgenommenen Proceduren — im engeren Sinne: in einer Besprechung der zur
^ erhütung von Krankheiten in und ausser den Fabriken getroffenen prophylakti
schen Massregeln, im weiteren Sinne : in der ärztlichen Begutachtung aller Ein
richtungen, welche als ihr Endziel das körperliche Wohlbefinden der Arbeiter
an streben.
Nach meiner Auffassung gehören somit vor das Forum des Arztes nicht
allein die sanitären, sondern auch ein grosser Theil der socialen Verhältnisse der
Arbeiter, und ich betrachte die Zusammenstellung der Erkrankungen auf den
Fabriken nicht als das Ziel meiner Arbeit, sondern als die Probe auf das Rechen-
Exempel, in welchem Masse die von Seilen der Fabrikbesitzer zum Wolde ihrer
Arbeiter getroffenen Einrichtungen ihrem Zwecke entsprechen.
Die Grenzen meiner Arbeit stecke ich dem entsprechend ziemlich weit;
allein nur auf diesem Wege löst der Arzt seine höhere Aufgabe, die mehr in dem
Schutze vor Krankheiten, als in dem Curiren der ausgebrochenen bestehen muss.
Theilen wir uns nun meine Arbeit nach diesen Grundsätzen ein, so müssen
wir — nach einem kurzen Ueberblick über die Entstehung und die Ausdehnung