IV. Eie Ausführung der Volkszählung.
Bei der Ausführung der Volkszählung und Volksbeschrei
bung auf Grundlage von Haushaitungs-, Haus- und Ortslisten
handelt es sich hauptsächlich um:
1) die Austheilung der Listen;
2) die Ausfüllung derselben;
3) die Wiedereinsammlung derselben ;
4) die Prüfung der Listen;
5) die Zusammenstellung und Concentrirung der Ergeb
nisse;
6) die Aufbewahrung der Urlisten;
7) die Veröffentlichung derselben;
8) die Kosten des Verfahrens.
1) Was zuvörderst die Austheilung der Listen an
langt, so drängen sich hier sogleich die Fragen auf:
a) An wen sollen die Listen vertheilt werden?
b) Durch wen, wie und wann soll die Austheilung ge
schehen?
Die Antworten auf diese Fragen liegen gleichsam schon
in der Benennung der Listen.
Selbstverständlich muss die Austheilung immer von
einem Centralpunkte aus erfolgen. Gesetzt, die Regierung
eines jeden Regierungsbezirks sei derselbe, so hat die Aus
theilung wie folgt zu geschehen:
Die Ortsobrigkeiten der grösseren Städte einestheils, die
Landräthe der Kreise anderntheils empfangen von den Regie
rungen die für sie benöthigten Ortslisten, Hauslisten und Haus
haltungslisten nebst deren Beilagen. Die Ortsobrigkeiten ver
theilen die Haushaltungs - und Hauslisten direct an die Besitzer
und Administratoren der Gebäude und legen denselben die
Verbindlichkeit der Vertheilung der Haushaltungslisten an die
Familienhäupter, resp. Haushaltungsvorstände auf. Die Zahl aller
der auszugebenden Listen lässt sich zwar vom Central punkte aus
nicht genau angeben, allein zu einer approximativen Schätzung
des Bedarfs gelangt man schon durch die Kenntniss der Zahl
der Familien und der Wohngebäude jedes Orts, sodann für die
Ortslisten durch die Zahl der Wohnplätze. Jede Kategorie
von Listen ist reichlich zu bemessen, indem manche durch
Unachtsamkeit verloren gehen, nicht minder durch anfänglich
unrichtige Einträge unbrauchbar werden.
Was die Zeit der Austheilung der Listen anlangt, so
stuft sich auch diese nach der Kategorie der Empfänger ab.
Die wichtigste Regel, die hierbei zu beobachten ist, ist die,
dass die Haushaltungsvorstände die Haushaltungslisten nicht
allzulange Zeit vor dem Zahlungstermine selbst empfangen.
Je mehr Tage die Liste im Hause bleibt, desto eher geht sie
verloren; desto unrichtiger und ungleichmässiger wenigstens
geschehen auch die Einträge, weil sicher Viele nicht erst den
Zahlungstermin, den 3. December, ab warten, sondern sehr
bald nach Empfang der Liste die Ausfüllung derselben vor
nehmen werden. Der 3. December fällt in diesem Jahre auf
einen Dienstag. Es möchte daher zu empfehlen sein, dass die
Listen Sonnabends, den 30. November, in den Händen aller
Haushaltungsvorstände seien. Nicht nur sind die Familien
glieder und sonstige Haushaltungsangehörige meist des Sonn
tags alle beisammen, sondern es bietet der Sonntag auch gute
Gelegenheit zu gemeinsamen Besprechungen über das Aus
füllungsgeschäft unter den hierzu Verpflichteten. Im König
reich Sachsen empfangen letztere die Haushaltungslisten erst
den 2. December und sie werden schon den 4. wieder ab
geholt.
Uebrigens sind die Termine der Austheilung (und der
Wiedereinsammlung, resp. Einreichung) der Listen auf diesen
in den Vorschriften und Anleitungen selbst zu bemerken.
Noch ist zu erörtern, durch wen die Listen an die Haus
besitzer vertheilt werden sollen. Dieses Austheilungsgeschäft
hat sowohl in den grossen Städten, als auch in kleinen Ge
meinden mit sehr zerstreut liegenden Wohnungen, namentlich
im Winter bei Schnee und den kurzen Tagen der Jahreszeit,
seine gar nicht geringen Schwierigkeiten. Da das Zählungs
geschäft allenthalben den Verwaltungsbehörden obliegt und in
Preussen also (wo die Verwaltung bis in die unterste Instanz
von der Justiz getrennt ist) in den grossen Städten durch die
Ortspolizei in Betrieb gesetzt wird, so werden auch die Polizei
organe, in Berlin z. B. die Schutzmänner, mit der Austheilung
und Wiedereinsammlung der Listen von den Hauswirtheu, zu
beauftragen sein. Da aber in grossen Städten einzelne Häuser
an Zahl der Familien und der Einwohner oft kleine Gemein
den überragen, so sind solche Häuser auch gleichsam wie
Gemeinden zu behandeln. Es ist dem Wirth ein Verzeichniss
der ihm übergebenen und von ihm zu vertheilenden Listen zu
behändigen. Er mag sich behufs der Weitervertheilung dieser
Listen des Schutzmanns bedienen oder nicht, jedenfalls ist der
Wirth für die richtige Austheilung und Einsammlung der Listen
verantwortlich zu machen. Mit der Entschuldigung, dass er
nicht wisse und nicht wissen könne, wer in seinem Hause
wohne, ist er keinesfalls durchzulassen. Als Haus wirth soll
und muss er es wissen, er weiss es sicher auch sehr gut,
wenn der Zinstermin da ist. Selbst auch die Aftervermiether
kennt er in den meisten Fällen, da sich die Miethcontracte
bekanntlich die Genehmigung der Aftervermiethung Vorbehalten,
lndess die Aftervermiether zu kennen wird ihm nicht ein
mal zugemuthet. Werden als Aftermiethbewohner alle Die
angesehen, welche ihre Wohnung nicht direct von dem Haus-
wirth, sondern von einem Abmiether desselben ermiethet haben,
so brauchen nur letztere wegen der für die Zählung nöthigen
Angaben verantwortlich gemacht zu werden. Dergleichen An
gaben finden auf den Haushaltungslisten nach denjenigen Ein
trägen Platz, welche die Familie des Haushaltungsvorstandes
und der ihm sonst Angehörigen betreffen. In grossen Städten,
wie Berlin, wo eine grosse Menge junger Leute nur auf Schlaf
stelle wohnen, ist ein anderes Mittel auch nicht gegeben. Selbst
die Erhebung der Volkszahl durch besondere Zähler führt zu
keinem besseren Resultat, weil, wollen und können die Zäh
lungsagenten sich nicht gerade in der Nacht präsentiren, sie
zu jeder anderen Zeit des Tags den Inhaber der Schlafstelle
doch nicht in derselben antreffen, also auch auf die Angabe
Desjenigen, der sie vermiethet, angewiesen sind.
Es sei noch bemerkt, dass am Häufigsten in grossen
Städten die Zählung, wegen der allerdings nicht abzuleugnenden
bedeutenden Schwierigkeiten derselben, dadurch zu umgehen
gesucht wird, dass man sie aus sogenannten Einwohnerlisten am
grünen Tisch construirt. Das ist schlechterdings nicht zu dulden.
Da wo solche Einwohnerlisten in bester Vorzüglichkeit existi-
ren, wie z. B. in allen belgischen Orten, in England, wo eine
besondere bedeutende, reich fundirte Behörde für deren In
standhaltung eingesetzt ist (das Registrar General office), wird
die directe Zählung an den Volkszählungsterminen als ein
nothwendiges Mittel der Controle jener Listen betrachtet. Letz
tere sind nicht blos scheinbare, sondern wirkliche Conten,
denn jedes Haus besitzt in den dortigen Einwohnerlisten sein
Conto, auf welchem Ab - und Zugang mit grösster Regelmässig
keit ab - und zugeschrieben wird. Nichtsdestoweniger macht sich
auch in den Geschäften, welche über den Umsatz der Generationen
Buch und Rechnung führen, noch mehr wie in denjenigen,
welche es blos mit Waarenumsätzen zu thun haben, von Zeit
zu Zeit eine genaue Inventur, d. h. eine Vergleichung der
bilanzirten Conten mit der Wirklichkeit, nothwendig. So wie
das kaufmännische Geschäft mit vollem Recht als ein unsolides
und unordentliches getadelt wird, das seinen Status blos nach
seinen Bücherbilanzen aufmachen wollte, mit demselben Rechte
wäre die Verwaltung einer Stadt eine unordentliche zu nennen,
die statt der wirklichen Inventur der Bewohnerschaft blos die
Bilanzirung ihrer Einwohnerlisten einreichen wollte.
2) Durch wen, wie und wann die Ausfüllung der rich
tig und zu richtiger Zeit vertheilten Listen zu geschehen habe,
diese Fragen sind fast gänzlich schon durch das Vorausgegan
gene beantwortet. Die Haushaltungslisten sind durch die Haus
haltungsvorstände, die Hauslisten durch die Hauswirthe, die
Ortslisten durch die Ortsobrigkeiten auszufüllen. Die Aus
füllung der sogenannten Extralisten liegt den Administratoren
der betreffenden Anstalten ob, obschon diese Administratoren
ihres Theils, da sie jedenfalls nicht zu der flottirenden Be
völkerung zu zählen sind , als wirkliche Haushaltungsvorstände,
ordentliche Haushaltungslisten auszufüllen haben. Die Frage,
durch wen die Ausfüllung geschehen soll, hängt eng mit der
jenigen zusammen, wie sie geschehen soll. Handelt es sich
darum, wer sie vertreten soll, so kann darüber kein Zweifel
obwalten, dass die Vertretungspflicht einzig und allein dem
Haushaltungsvorstande obliegt. Handelt es sich dagegen darum,
wer die Ausfüllung manuell vornehmen soll, so möchte dies,
nachdem die Vertretungspflicht festgestellt ist, mehr oder
weniger indifferent sein, wenn nicht darauf Rücksicht zu neh
men wäre', ob denjenigen, welchen die Ausfüllung rechtlich
angesonnen wird, die Fähigkeit beiwohnt, sie zu bewirken,
und wenn das nicht der Fall ist, ob sich innerhalb der fest
begrenzten kurzen Zeit die nöthige Hilfe in der Nähe dar
bietet.
Die zuletzt ausgeführten grossen Volkszählungen in Bel
gien, England, Frankreich wurden — wie im Verlauf des Obigen
schon wiederholt angedeutet — durch besondere Zählungs
agenten bewerkstelligt. Da jedem Zähler nur eine verhältniss-
mässig kleine Zahl von Gebäuden und deren Einwohnern zur
Zählung und Beschreibung aufgegeben werden kann, weil das
Geschäft ja in einem Tage begonnen und vollendet werden
muss, so sind nothwendig eine ungeheure Menge Zähler zu
verwenden. Wie sehr dies die Zählungen vertheuert, davon