12 2. Abschnitt. Grundlegung u. Ausbau der Sozial- u. Wirtschaftspolitik.
Kreditverkehr dar. Das mächtige Emporstreben von Handel und Industrie bedurfte
eitler starken, solid fundierten Zentralbank, die imstande war, den Notenumlauf, die
Geld- und Goldzirkulation zu regulieren und die Garantie für einen stetigen und
mäßigen Zinsfuß, sowie für eine ausreichende Kapitalreserve zu übernehtnen.
r. Abschnitt.
Grundlegung und Ausbau der Sozial- und Wirtschaftspolitik.
Einleitung.
In der Grundlegung und dem Ausbau der deutschen Sozial- unb Wirtschafts
politik, die nach Gründung des Deutschen Reiches auszufiihren waren, lassen sich
zwei scharf getrennte Abschnitte unterscheiden. Die erste Epoche hatte die einheit
liche Verwaltung und Reglementierung der Handel und Verkehr berüh
renden Angelegenheiten, daneben zugleich auch den Abschluß des Kampfes gegen eine
veraltete Bevormundung seitens der Regierung zur Aufgabe. In der zweiten Periode,
in der wir heute noch stehen, wurde dein Verhalteil der Regierung gegenüber der
inneren und äußeren Konkurrenz eine neue Grundlinie vorgezeichnet; sie
dreht sich um den staatlichen Schutz des Arbeiter- und Mittelstandes, um das
Protektions- und Expansionssystem.
In den 48er Jahren hatte die ganze gebildete Welt gegen den Bureaukratismus
und für die individuelle Freiheit gekämpft. Auf das Erwerbsleben iibertragen, be
deutete dieser Kampf Beseitigung aller Monopole und Privilegien, der Zünfte, des
Prüfungs- und Wanderzwangs u. s. s. Der Kampf für politische Gleichberechtigung,
für eine liberale Wirtschaftspolitik und für die nationale Einheit.floß in Eins zu
sammen. In der Konstitution und Gewerbefreiheit glaubte man — selbst in den
maßgebenden Kreisen — das Universalmittel gegen alle wirtschaftlichen und
sozialen Schäden gefunden zu haben. Diese Ideen wurden Ende der 50er Jahre
neu belebt einerseits durch das Wiedererwachen des politischen Lebens, anderseits
durch den industriellen Aufschwung, der zu einer Quelle von Reichtum geworden,
sich gleichsam wie ein Strom durch das Land ergoß, mid, was noch mehr bedeutete,
das Volk lehrte, den reichen Besitz wirtschaftlich zu verwerten unb zu vergrößern.
Es mar dies die Zeit, in der der Liberalismus seinen Siegeslaus antrat. Aber
eben, als er auf der ganzen Linie zum Durchbruch gelangt war, wurde er durch Eingriffe
und Erfahrungen verschiedener Art unterbrochen.' Dem anfänglich enthusiastischen
Optimismus und seiner Uebertreibung folgte eine Reaktion. Ihren Nährboden fand sie vor
allem an der langanhaltenden Krise von 1873. Unter ihrem Druck wurden die Miß
stände zunächst im Betrieb der Aktien- und Versicherungsgesellschaften, dann in der An
lage und Verwaltung des deutschen Eisenbahnnetzes, in der Tarifgestaltung der Eisen
bahneil, im gewerblichen Fortbildungswesen, im gewerblichen Urheberrecht (Patentschutz),
in den Auswüchsen des Kleinvertriebs (unlauterer Wettbewerb) u. s. f. schwerer als
bisher empfunden. All das waren bloße Begleiterscheinungen der Gewerbefreiheit;