Full text: Das Lebenswerk von Karl Marx

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Im Jahre.1883 galt Marx bei allen Theoretikern bürger 
licher Observanz als längst „widerlegt". Seitdem aber hat die 
Wissenschaft überhaupt erst angefangen, sich mit ihm zu beschäftigen. 
Bis zum Jahre 1883 zähle ich in meiner Marx-Bibliographie 
20 Schriften über Marx: seit diesem Jahre bis 1904 280, von 
denen in das Jahrelft 1884—1894 58, in das Jahrzehnt 1895—1904 
dagegen 214 fallen. Marx ist zum Mittelpunkt aller irgendwie 
ernst zu nehmenden Erörterungen sozialwissenschaftlichen Inhalts ge 
worden. Fast möchte man sagen: er ist auf dem Wege, universitäts 
fähig zu werden. Kostete es einem akademischen Lehrer noch vor 
15 Jahren wenn auch nicht die Stellung, so doch die Karriere: das 
bloße Bekenntnis, daß er Karl Marx für einen sehr großen 
Denker halte, und wurde der, der also bekannte, für einen Sonder 
ling und Halbidioten gehalten: so pfeift es heute jeder belanglose 
Privatdozent vom Katheder: daß niemand, der sich mit National 
ökonomie, Wirtschaftsgeschichte, Sozialphilosophie befaßt, an Karl 
Marx vorbei kann, ohne sich selbst zur Sterilität zu verdammen, 
daß alle, die nicht durch Marx hindurchgegangen und in irgendeiner 
Form mit ihm und seinen Lehren fertig geworden sind, als sozial 
wissenschaftliche Theoretiker einfach nicht mitzählen (wie ein Biologe, 
der an Darwin, ein Optiker, der an Helmholtz, ein Bakteriologe, 
der an Robert Koch Vorbeigehen wollte). Stürbe Marx heute 
erst, so müßte die Wissenschaft bekennen: daß der einzige lebende 
Sozialtheoretiker großen Stils von uns gegangen sei. 
Und wie die Bedeutung Marxens als Theoretiker nach seinem 
Tode erst in weiteren Kreisen anerkannt worden ist, so hat man auch 
seitdem erst recht eigentlich Marx verstehen gelernt. Wir Jüngeren 
(die wir heute schon anfangen zu den Alten zu zählen), gleichgültig 
ob sozialistischer oder bürgerlicher Observanz, die wir für Marx als
	        
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