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Gouvernements das Gebiet der Viehzucht. Dazu waren die grossen, un
bevölkerten Steppen in hohem Masse geeignet und die Viehzucht war
von grossem Einfluss auf das ganze wirtschaftliche Leben Neurusslands.
Allmählich nahmen die grossen Steppen an Ausdehnung ab. Einerseits
entstand dies durch die Verminderung des Weide- und Wiesenlandes bei
den Bauern nach der Aufhebung der Leibeigenschaft.
Aber in noch höherem Masse trat die Viehzucht zurück, als die
Bedeutung der Hafenstädte zunahm, die Eisenbahnen den Transport er
leichterten und infolgedessen die Getreidepreise in den siebziger Jahren
um ein Bedeutendes stiegen. Die wilde Feldgraswirtschaft, die den ganzen
landwirtschaftlichen Betrieb beherrschte, äusserte sich darin, dass von
der gesamten Fläche des Baulandes ein bedeutendes Stück Feld nur als
Ackerland benützt wurde. Nach Ablauf einer gewissen Anzahl von
Jahren liess man dieses Feldstück als Weideland liegen, indem man eine
andere Parzelle als Ackerland bebaute und die Anbaufläche immer auf
Kosten des übrigen Landes vergrösserte. Bei der zu unserer Zeit
herrschenden Dreifelderwirtschaft wird der Boden in drei Fluren ein
geteilt. Jedes Jahr liegt eine dieser Fluren brach, die zweite wird mit
Winterkorn, die dritte mit Sommerkorn bestellt. Vom Brachlande wird
jedoch nur ein kleiner Teil des Bodens unbestellt gelassen, der grösste
Teil desselben wird als Saatfeld bebaut.
So betrugen im Jahre 1881 in ganz Neurussland 35,9 Prozent des
gesamten Ackerlandes Brachland. Im Jahre 1901 ist die Fläche des
Ackerlandes im Vergleiche mit der des Jahres 1881 um 14,41 Prozent,
das Saatfeld um 37 Prozent gestiegen, dagegen hat das Brachland sehr
stark abgenommen und zwar im Jahre 1901 auf 22,3 Prozent und im
Jahre 1903 auf nur 16,9 Prozent der gesamten Fläche des Ackerlandes.
Infolge eines solchen primitiven Ackerbausystems werden die Ernten
ausschliesslich durch die Fruchtbarkeit des Bodens und die Naturkräfte
bedingt. Dadurch werden auch die grossen Schwankungen in den Ernten
verursacht. (Wie gross die Ernte und die Schwankungen derselben sind,
wird aus den Tabellen und Diagrammen im Anhänge ersichtlich.)
In Bezug auf die Flöhe der Ernteerträge stehen die südrussischen
Steppen-Gouvernements allen anderen im Europäischen Russland voran,
aber auch in Bezug auf Schwankungen derselben. Sind überhaupt im
ganzen Schwarzerdegebiet grosse Schwankungen als übliche Erscheinungen
zu bezeichnen, so übertreffen darin die neurussischen alle anderen Gou
vernements um ein Bedeutendes. Sie werden hier durch die grosse
Häufigkeit der Trockenperioden und durch die Nichtanwendung der
Düngermittel verursacht. Durch diese starken Schwankungen der Ernte