6. Kapitel. Mangel, Verlust und Sicherung der Arbeitsgelegenheit.
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Die Mittelstädte stellen hiernach absolut und relativ den kleinsten
Anteil zu den Arbeitslosen. Die Großstädte liefern im Sommer einen
etwas größeren Bruchteil, als die kleinen Gemeinden, und zeigen
gegenüber dem Sommer im Winter eine zwar etwas gesteigerte Zahl
von Arbeitslosen, aber einen erheblich kleineren Anteil an der Gesamt
zahl der Arbeitslosen. Dagegen haben die kleinen Gemeinden im
Winter 4 mal so viel Arbeitslose als im Sommer und auf sie entfallen
fast 3 /5 aller im Winter gezählten Arbeitslosen. Im Vergleich zur
Bevölkerung jeder der genannten Größenklassen ist dagegen die Zahl
der Arbeitslosen in den Großstädten am bedeutendsten (1,66 und 2,43 o/o),
demnächst folgen die Mittelstädte (0,79 und 1,59 o/o) und die kleinen
Gemeinden (0,32 und 1,26 o/o). Mit anderen Worten: Die relative Be
deutung der Arbeitslosigkeit in den Großstädten gegenüber ihrer eigenen
Bevölkerung ist erheblich größer als in den anderen Gruppen, aber im
ganzen stellen die kleinen Gemeinden im Winter über 272 mal so viel
Arbeitslose als die Großstädte. Hier zeigt sich der Einfluß der Tat
sache, daß die Landwirtschaft im Winter einen viel geringeren Bedarf
an Arbeitskräften hat als im Sommer, während dessen die Landwirt
schaft in vielen Bezirken die nötigen Arbeitskräfte überhaupt nicht
bekommen kann. Zum Teil läßt sich das starke Auftreten der Arbeits
losigkeit in den kleinen Gemeinden zur Winterszeit auch daraus er
klären, daß bei Eintritt des Winters Arbeiter, die in den Städten
Arbeitslosigkeit befürchten, auf das Land zurückkehren.
Die Arbeitslosenzählungen der Reichsstatistik von 1895 geben,
wie erwähnt, nur den Zustand der beiden Zahlungstermine wieder.
Sie bedürfen deshalb einer Ergänzung in kürzeren Perioden. Diese
Ergänzung ist bisher von Berufsvereinen und Stadtgemeinden, natürlich
nur für bestimmte Teile der gesamten deutschen Arbeiterschaft, vor
genommen worden. Von Städten haben sich namentlich Dresden und
Stuttgart in der neuesten Zeit mit der Feststellung der Arbeitslosen
befaßt. In Dresden ist am 12. Okt 1902 eine städtische Zählung in Ver
bindung mit der für die Einkommensteuer erfolgenden Personenstands
aufnahme erfolgt. Das Ergebnis war—gegenüber den Ermittelungen von
1895 —folgendes. In dem 1895 vorhandenen Stadtgebiet waren arbeitslos
im ganzen
männliche weibliche
Personen Personen zusammen
am 12. Okt. 1902 4696 1391 6087
„ 2. Dez. 1895 4528 1514 5942
„ 14. .Juni 1895 3126 1700 4826
in °/o der Einwohnerzahl
männliche
Personen
weibliche
Personen
zusammen
25 °/o 7 °/o 18,4 °/o
19 °/o 10 °/o 14,4 °/o
Die Zählungen sollen fortan jährlich fortgesetzt werden. Die an
gewandte Methode ist auch für andere sächsische Städte brauchbar;
mit Recht bemerkt das Reichsarbeitsblatt (I. Jahrg., Nr. 1, S. 25) bei
Besprechung des Dresdener Vorgehens, daß auf Grund der Hauslisten