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I. Teil. Allgemeines.
hört ohne weiteres hierher. Dazu tritt die Ausgleichung der Nach
teile, die sich aus der Unterbrechung und Beeinträchtigung und aus
dem Verlust der Arbeitsfähigkeit ergeben, die Beseitigung der Miß
stände, die sich im Wohnungswesen gezeigt haben. Von ganz be
sonderer Bedeutung ist die Milderung der Nachteile, die aus der Unsicher
heit und Unständigkeit der Arbeitsgelegenheit erwachsen. Vielfach
wird diesen Hauptaufgaben noch hinzugerechnet der Schutz des
Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit der Arbeitenden bei der
Arbeit selbst, also der „Arbeiterschutz“ einschließlich der zur Über
wachung seiner sach- und zweckgemäßen Durchführung erforderlichen
Beaufsichtigung der Betriebe. Es ist ohne Zweifel zulässig, den
Arbeiterschutz als eine Aufgabe der Sozialpolitik anzusehen. Denn
was er erreicht an Erhaltung der Arbeitsfähigkeit, ist auch für die
wirtschaftliche Lage der Arbeitenden von großer Bedeutung. Mit noch
größerem Rechte aber kann der Arbeiterschutz als eine Aufgabe des
jenigen Zweiges der Volkswirtschaftspolitik angesehen werden, den
man als allgemeine Gütererzeugungspolitik (allgemeine Produktions
politik) bezeichnen muß. Denn mit dem Arbeiterschutz verbindet sich
vor allem das volkswirtschaftliche Interesse an der sorgfältigen Be
handlung und an der Erhaltung des Grundstocks von physischer Arbeits
kraft, auf den sich die nationale Produktion stützen muß. Aus diesem
Grunde wird der Arbeiterschutz hier ausgeschieden werden können,
zumal er bereits in einem besonderen Bande dieser Sammlung— Fbanken-
stein , Der Arbeiterschutz, seine Theorie und Politik, Leipzig 1896 —
eine ausführliche Behandlung erfahren hat. Ähnlich ist die Sachlage
bezüglich der Arbeiterbildungspolitik (Fachunterrichtspolitik). Auch
von ihr gehen unzweifelhaft wichtige soziale Wirkungen aus. Aber
der Schwerpunkt ihrer Bedeutung liegt auf dem Gebiete der allgemeinen
Gütererzeugungspolitik. Die Fachunterrichtspolitik ist für diese Samm
lung in dem zweibändigen Werke von Petebsilie, Das öffentliche Un
terrichtswesen — Leipzig 1896 — behandelt worden.
Nicht zu den Aufgaben der Sozialpolitik gehört das öffentliche
Armenwesen. Die Sozialpolitik erstrebt etwas ganz anderes, als die
Armenpflege. Die öffentliche Armenpflege greift mit Almosen aus
öffentlichen, zum Teil auch aus privaten Mitteln dann ein, wenn jemand
in seinen wirtschaftlichen Verhältnissen so zurückgekommen ist, daß
er außerstande ist, seinen notwendigen Unterhalt selbst zu bestreiten.
Auch in diesem Falle ist vom Standpunkte der Armenpflege aus die
„Hilfsbedürftigkeit“ erst dann anzuerkennen, wenn ihm nicht durch
andere auf Grund gesetzlich begründeter Unterhaltungspflicht oder
durch private Wohltätigkeit die zur Bestreitung des notwendigen
Lebensunterhalts erforderlichen Mittel verschafft werden. Die Sozial
politik will nicht nur einzelne Personen, sondern ganze Klassen er