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darum besonders geeignet, als Ausgangspunkt für einen geschichtlichen
Rückblick zu dienen.
Die gesamten Fortschritte, welche seit jener Zeit auf landwirtschaft
lichem Gebiete gemacht worden sind, finden einen umfassenden Massstab
an der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion. Dass eine solche
Steigerung stattgefunden hat, ist im allgemeinen ebenso leicht zu erkennen,
als es im besondern schwer hält, genauer ziffernmässig den Grund und das
Mafs derselben zu bestimmen. Diese Schwierigkeit hat ihren Grund nicht
nur darin, dass wir aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts nur wenig
zuverlässigere statistische Daten besitzen, sondern auch darin, dass sich
diese Daten meist auf Gebiete andern Umfangs beziehen; denn die meisten
deutschen Staaten haben im Laufe des vorigen Jahrhunders bedeutende
territoriale Veränderungen durchzumachen gehabt, und zwar nicht nur
hinsichtlich der äusseren Landesgrenzen, sondern vielfach auch bezüglich
der einzelnen Provinzen und Verwaltungsbezirke im Innern, so dass die
alten Ziffern, seien sie amtlicher Natur oder privater Schätzung, mit den
späteren Ergebnissen der Statistik überhaupt nicht oder nur nach weit
schweifigen Umrechnungen in Vergleich gestellt werden können. Dazu
kommt, dass die „deutsche Landwirtschaft“ selbst kein innerlich einheit
licher Begriff ist. Bedingt durch die verschiedenen Boden-, Klima- und
sonstigen Verhältnisse, ist und war dieselbe anders in Ostpreussen und
anders am Rhein, anders in Schleswig-Holstein und anders in Schlesien,
anders in Mecklenburg und anders in Baden. Dieser Umstand lässt bei
den ergänzenden Schätzungen, die man zur Ausfüllung der statistischen
Lücken anstellen muss, eine Übertragung der in einem bestimmten Landes
teile gefundenen Verhältnisse auf ein anderes Gebiet nicht ohne weiteres
zu und erschwert die Aufstellung mittlerer, für das ganze Reich gültiger
Durchschnittszahlen. Trotz dieser Schwierigkeiten geht unser Bestreben
in der vorliegenden Arbeit dahin, auch die älteren Verhältnisse, soweit
dieselben für die Produktivität der Landwirtschaft von Belang sind, ziffern
mässig zu bewerten, sie den Ergebnissen der Statistik am Schlüsse des
Jahrhunderts gegenüberzustellen und so ein zalilenmässiges Gesamtbild
von der Steigerung der Produktivität der deutschen Landwirtschaft während
des ganzen vorigen Jahrhunderts zu geben. Wer freilich jeglicher Ivon-
jekturalstatistik abhold ist und nur diejenigen Ziffern gelten lässt, die ihm
die amtliche Statistik an die Hand gibt, der wird wahrscheinlich unser
Unterfangen missbilligen. Wir sind aber der Ansicht, dass ein annähernd
sicheres Wissen besser ist als gar keius, und dass der Wissenschaft mehr
gedient ist, wenn man feststellen kann: die landwirtschaftliche Produktivität
ist im letzten Jahrhundert um 200—220 % — ein gewisser Spielraum der
Unsicherheit bleibt natürlich immer vorhanden — gestiegen, als wenn man
nur sagen kann: der Fortschritt ist bedeutend, gross oder sehr gross und
dabei doch über das wirkliche Mafs dieses Fortschritts ganz im unklaren bleibt.
Wer aber andrerseits von einer Arbeit nicht mehr verlangt, als nach Lage
der objektiven Verhältnisse geboten werden kann, der wird — so wollen wir
hoffen — aus der folgenden Darstellung immerhin einigen Nutzen ziehen können.
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