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gering gewesen ist, dom Rohmaterial gleichsetzen, dann stellte sich in dem
genannten Jahre die gesamte Mehrausfuhr Preussens auf 480429 Scheffel
Weizen, 50235 Scheffel Roggen, 854674 Scheffel Hafer und 66158 Scheffel
Hülsenfrüchte, die Mehreinfuhr hei Gerste dagegen auf 17983 Scheffel.
Alles in allem genommen und auf Doppelzentner umgerechnet betrug die
ganze Mehrausfuhr an Getreide, Hülsenfrüchten und Mühlenfabrikaten etwa
450838 D.-Ztr. Das ist keine sehr imponierende Ziffer, zumal wenn man
bedenkt, dass die kornreichen polnischen Provinzen damals zu Preussen
gehörten.
Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein Teil dieser Provinzen
eben erst bei der 3. Teilung Polens 1795 an Preussen gefallen war und
dass die Wirren des voraufgegangenen Aufstandes auf die landwirtschaftliche
Produktion naturgemäss sehr nachteilig gewirkt haben. In den folgenden
Jahren bis 1806, als das Land sich erholte, wuchsen auch wieder die
Überschüsse, und in den Ostseehäfen, speziell in Danzig, erreichte der
Kornhandel in dieser Zeit die grösste Blüte; denn die polnischen Provinzen
wurden im Prinzip mit den alten preussischen gleichgestellt* und das
polnische Getreide, das früher als ausländisches Produkt mehr Abgaben
und Yexationen zu ertragen hatte, wurde jetzt als inländisches behandelt
und konnte mit um so grösserem Gewinn auf den Markt geworfen werden,
als die Preise in dieser Periode immer höher stiegen. Daraus erklären
sich die hohen Ausfuhrziffern, welche die preussischen Ostseehäfen zu
dieser Zeit aufweisen. Für unseren Zweck müssen wir aber alle die
polnischen Provinzen ausscheiden, welche Preussen durch den Wiener
Kongress endgültig wieder verloren hat. Damit scheidet aber auch die
Hauptmasse der preussischen Getreideausfuhr aus der Rechnung aus.
Derjenige Teil des preussischen Staates, der für unsere Untersuchung in
Betracht kommt, wird um das Jahr 1800 im Durchschnitt kaum mehr als
500000 D.-Ztr. Getreide Mehrausfuhr gehabt haben. 1 )
In den übrigen deutschen Staaten war die Getreideausfuhr für ge
wöhnlich noch geringer als in Preussen. Einige Notizen geben darüber
Hassel und Malchus; doch beziehen sich dieselben auf die Zeit um
1820 und ist überdies aus den Ziffern nicht ersichtlich, ob sie nur die
Ausfuhr oder den Ausfuhrüberschuss bezeichnen. Im allgemeinen lässt sich
nur sagen, dass Bayern eher zu wenig als zu viel produzierte; Württemberg
und Baden gaben in normalen Jahren 2 ) ein gewisses Quantum an die
Schweiz und Frankreich ab; auch Hessen-Darmstadt und besonders Mecklen
burg erzielten Überschüsse. Dagegen brauchten Sachsen, die freien Städte
und viele der kleinen Staaten regelmässige Zufuhren, während die anderen
gerade so viel produzierten als sie brauchten. Alles in allem genommen
wird man wohl nur sagen können, dass auf dem Gebiete, welches heute das
0 Vergl. zu dieser Darstellung W. Naudd, Die brandenburgisch-preussische Getreide
handelspolitik von 1713—1806; Jahrbuch für Gesetzgebung, Verw. u. Volksw. 29. Jahrg.,
1. Heft, 1905.
2 ) Infolge der napoleonischeu Kriege hatte Süddeutschland zu Beginn des Jahr
hunderts wahrscheinlich keine Überschüsse.