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anlangt, so möchte ich mir nur gestatten, auf einen Umstand hin
zuweisen, der meines Erachtens dieses System sofort ad absurdum
führen muß. Den Bedürfnissen der Landwirtschaft ist durch das
Bürgerliche Gesetzbuch angeblich dadurch in besonderer Weise
Rechnung getragen worden, daß man die Bestimmung getroffen
hat, daß in Erbfällen, wenn kein Testament vorhanden ist — und
das kommt ja auf dem Lande nicht gerade sehr selten vor — bei
Vererbung von ländlichem Grundbesitz von den Gerichten der
Ertragswert zugrunde gelegt werdeh soll. Meine Herren, das
B.G.B. ist jetzt 8 Jahre in Kraft und wenn wir uns einmal Klar
heit darüber verschaffen, wie denn diese angeblich zugunsten der
Landwirtschaft getroffene gesetzliche Bestimmung eigentlich durch
geführt wird, so ergibt sich, daß bis heute weder in Preußen, noch
von den meisten übrigen Bundesstaaten Ausführungsbestimmungen
darüber erlassen worden sind, in welcher Weise ein solcher Er
tragswert festzustellen ist. Warum ist das nicht geschehen,
meine Herren? Weil die Ermittlung eines richtigen Ertrags
wertes in der Landwirtschaft so ungeheuer schwierig ist, daß man
im Laufe von 8 Jahren noch keine Lösung gefunden hat. Das
vor 2 Jahren erlassene Reichserbsehaftssteuergesetz hat allerdings
einen Ertragswert konstruiert, der aber auch danach ist und daher
nur auf dem Papier steht. Infolgedessen wird in der Regel ruhig
der Verkaufs wert genommen. Daraus dürfte sieh zur Genüge
ergeben, daß die vom Herrn Vortragenden besonders hervor
gehobene der Landwirtschaft durch Zubilligung der Steuer
erhebung vom Ertragswerte verheißene Begünstigung solange
völlig in der Luft lebt, wie die in Frage kommenden Grundsätze
der Veranlagung nicht bekannt sind, und das ist bis dato nicht
der Fall.
Dann der schöne Vorteil mit der Ratenzahlung! Die Raten
zahlung kann meines Erachtens nur dazu führen, daß die ganze
Steuer meistens von den Miterben auf den Grundstücksübernehmer
abgewälzt wird. Das ist ein Gesichtspunkt, der außerordentlich
wichtig ist, denn die Rentenzahlung kann das größte Kreuz für
die Landwirtschaft werden und sie stärker belasten, als die Ka
pitalszahlung.
Wenn der Herr Referent dann den Familiensinn erwähnte,
so will ich dieses sogenannte psychologische Moment hier ganz
außer acht lassen, aber noch auf einen anderen Punkt zu sprechen
kommen. Der Herr Referent nahm zum Beweise der Zweck
mäßigkeit dieser Steuer für den ländlichen Besitz auf England
Bezug. Ja, meine Herren, wie kann man die landwirtschaftlichen
Verhältnisse von Deutschland mit denen von England vergleichen,
(sehr richtig!)
wo wir genau wissen, daß sich in England drei Viertel des ganzen
Grundbesitzes in der Hand von ein paar Hundert Lords befindet.
Dort besteht ein ganz ausgebildetes Pächtersystem; infolgedessen
zahlt in England nicht der eigentliche Landwirt die Steuern,
sondern in der Regel der kolossal reiche Großgrundbesitzer, dessen
riesige Reichtümer zum großen Teil aus der Industrie stammen,