Full text: Die Psychologie der Reichsfinanzreform

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Es handelt sich also nicht allein um die Aufbringung von 
neuen Millionen, sondern um einen solchen intensiven Eingriff in 
die landwirtschaftlichen Betriebe, namentlich des Ostens — die, 
wie wir alle wissen, zum Teil schon so kolossal verschuldet sind, 
daß seit Jahren Maßregeln erwogen werden, um den Grundbesitz 
zu entschulden — daß man an all diesen Verhältnissen nicht acht 
los vorübergehen darf. 
Auf die Frage der Zuokerbesteuerung will ich nicht 
näher eingehen, um meinem verehrten Kollegen Herrn Dr. Mayer 
nicht den ganzen Stoff wegzunehmen. Aber hier hat die Reichs - 
regierung in bezug auf die Brüsseler Zuckerkonvention und die 
Stellung gegenüber England und Rußland so viele schwere Fehler 
gemacht, daß es schon um deswillen notwendig ist, die jetzige 
Steuer unter allen Umständen herunterzusetzen, und damit die 
Nachteile aus diesen wunderbaren Maßnahmen etwas zu eliminieren. 
Hier handelt es sieh in der Hauptsache um eine Industrie, die für 
die Landwirtschaft von ungeheuerer Bedeutung ist, und die bisher 
in hohem Maße auf die Ausfuhr angewiesen ist. Wird diese 
verstopft, so kann man sich wohl nicht gut auf den Standpunkt 
stellen, daß die Zuekersteuer nicht herabgesetzt werden sollte. 
In bezug auf die Weinsteuer kann man ungefähr genau 
dasselbe sagen, wie von der Zuckersteuer. Auch in bezug auf die 
ausländische Konkurrenz der Weine ist von der Reiehsregierung 
sehr viel gesündigt worden. Ich möchte nur daran erinnern, daß 
gerade jetzt gelegentlich der Vorlage des neuen Handelsvertrags 
mit Portugal 
(sehr richtig!) 
von den Winzern aufs allerschwerste darüber geklagt wird, daß 
man wieder zu ungunsten der stark bedrängten Winzer dem Aus 
lande Konzessionen gemacht hat auf handelspolitischem Gebiete, 
die durchaus nicht notwendig sind, und die geeignet sind, unsere 
Einnahmen aus den Zöllen erheblich zu schmälern. 
Also die Reichsregierung hat in vieler Beziehung, wie es ja 
auch der Herr Vortragende gar nicht in Abrede gestellt hat, sehr 
viel- schuld an der schwierigen Finanzlage, im großen und ganzen 
noch mehr schuld, als es nach den Ausführungen des Herrn 
Referenten zunächst scheinen könnte. 
Dann nur noch eine ganz kurze Bemerkung über die Herab 
setzung unseres Ortsportos. Meine Herren, ich muß sagen: 
wenn man sich in derartigen Nöten befindet wie zurzeit das Reich, 
dann kann ich es einfach nicht verstehen, wie man die Ein 
nahmen aus der Post durch Herabsetzung des Ortsportos noch 
reduzieren will. 
(Widerspruch. — Zuruf: Durch die Herabsetzung vermehren!) 
— Na, bei der sogenannten Vermehrung der Einnahmen durch 
Herabsetzung ist sehr häufig gerade das Gegenteil herausgekommen! 
Aber ich will mich mit dieser Frage nicht weiter beschäftigen, sie 
liegt mir auch ferner. 
Dann möchte ich aber noch ergänzend erwähnen, daß ich 
eigentlich eine stärkere Heranziehung des Kakaos vermißt habe;
	        
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