Full text: Die Zeit der preußischen Freihandelspolitik

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Geschichte aufs innigste mit der Wohlfahrt des übrigen Deutsch 
lands verknüpft. Die wirtschaftliche und politische Zukunft 
Deutschlands ruhte auf Preußens Schultern, und es war von 
der allergrößten Wichtigkeit, daß die preußische Machtstellung 
nicht durch Österreich beeinträchtigt wurde. Die preußischen 
Staatsmänner mußten deshalb jede weitere Annäherung Öster 
reichs, die sich aus dem Handelsverträge ergeben konnte, zu 
verhüten suchen. Das hatte auch der König Friedrich 
Wilhelm IV. als leitenden Grundsatz seiner Handelspolitik 
erkannt. Der ursprünglich freihändlerische Charakter des 
Vereinszolltarifs hatte sich immer mehr in einen schutzzöllneri- 
schen verwandelt. Die Preise der meisten Waren hatten eine 
erhebliche Ermäßigung erfahren, während die Zollsätze sich 
nicht verändert hatten. Dadurch hatte sich ihre Schutzwirkung 
erhöht, denn sie machten einen immer steigenden Prozentsatz 
vom Werte der Waren aus. Dazu kam, daß seit 1840 von 
Süddeutschland aus eine starke Schutzzollbewegung sich geltend 
machte, die Zollerhöhungen für Eisen, Garne, Leinenwaren, 
Wollwaren, Kurzwaren durohzusetzen vermochte. Die Handels 
freiheit und die Gewerbefreiheit, die wir als die Entwicklungs 
bedingungen des preußischen Staates kennen gelernt haben, 
wurden eingeschränkt und rückwärts revidiert. Es war die 
Zeit der politischen Schwäche und Haltlosigkeit, des all 
gemeinen Rückschritts. 
In einem Handschreiben vom 9. Mai 1856 wies Friedrich 
Wilhelm IV. darauf hin, daß der österreichische Tarif sieh nur 
noch wenig von dem des Zollvereins unterscheide. Es würde 
also bald kaum noch ein triftiger Grund vorhanden sein, dem 
Kaiserstaat die angestrebte Zolleinigung zu verweigern. Der 
König erklärte es deshalb für eine politische Notwendigkeit, 
unverzüglich mit einer solchen Ermäßigung des Zollvereins 
tarifs vorzugehen, daß Österreich nicht sobald nachfolgen könne. 
Diese vom König gewünschte Tarifreform wurde damals noch 
nicht in Angriff genommen; ihre Durchführung geschah erst, 
als die Freihandelsbewegung sich organisiert und einen be 
herrschenden Einfluß erlangt hatte. 
Bis um die Mitte der vierziger Jahre waren die Träger der 
Freihandelsidee nur in den Ministerien und auf den volkswirt 
schaftlichen Lehrstühlen der Universitäten zu suchen. Das
	        
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