Full text: Zum Kampf um die wirtschaftliche Selbständigkeit des Klein- und Mittelbetriebes

Zeitgemässe Werkorganisation 
D ie Gemeinschaft schaffender Menschen in 
dem Rahmen einer dem Zweck ent 
sprechenden Verteilung der Hand- und 
geistigen Arbeit nennen wir heute allgemein 
Fabrik. 
Der Mangel des rechten Zusammenwirkens 
aller vorhandenen Kräfte im Interesse des 
Zweckes und Zieles wird heute fast überall 
beklagt; die Ursachen dieser Erscheinung sind 
genügend bekannt. Sie liegen in dem Mangel 
an Mitverantwortlichkeit, die fast immer 
fehlt, und zwar deshalb fehlt, weil die Führer 
und die Geführten ihre Aufgaben und Pflichten 
nicht erkennen, oder dort, wo es der Fall ist, be 
hindert werden, sie zu erfüllen. Man betrachte 
nur die Arbeitsordnungen und ihren Geist, 
wie sie in den meisten Unternehmen bestehen 
und man wird erkennen, dass ein Gemein 
schaftsgefühl in solchen Organisationen gar- 
nicht entstehen kann. 
Es handelt sich um 2 Forderungen, um die 
Aufgabe, in jedem Arbeiter und Angestellten das 
Gefühl zu erzeugen und wach zu halten, dass sie 
unentbehrliche Glieder einer Kette sind, dass die 
Gemeinschaft auf ihre Pflichterfüllung ange 
wiesen ist und mit ihr rechnet, selbst wenn es 
sich um einen Hofarbeiter handelt, der beim 
Packen Dienste leistet. 
Und die zweite Aufgabe besteht darin, dass 
die Führer, die Leiter, des Vertrauens, das 
ihnen entgegengebracht werden muss, würdig 
sind, nicht allein in Bezug auf das fachmännische 
Können, sondern vor allem in Bezug auf die not 
wendigen Charaktereigenschaften. Wenn 
diese beiden Forderungen erfüllt werden, dann 
sind auch ein erfolgreiches Arbeiten und der 
soziale Friede gesichert. 
Vor allem ist es notwendig, dass der Leiter es 
für unerlässlich ansieht, jedem Mitarbeiter, sei er 
Arbeiter oder Angestellter, wissen zu lassen, 
was ihm mitangeht, alle Vorfälle und Ereig 
nisse, soweit nicht die Geheimhaltung gewahrt 
bleiben muss, bekannt gibt, damit jedermann an 
ihnen Anteil nehmen kann. Ohne diese Be 
kanntmachungen ist eine offene Anteilnahme un 
möglich, und an ihre Stelle tritt der geheime 
Klatsch, sowie das Hetzen und Verleumden. 
Wann sieht denn der Arbeiter beim System der 
Arbeitsteilung wirklich einmal die fertige Arbeit, 
an der er Anteil gehabt hat? Wann hört er, ob 
diese Arbeit gelobt worden ist und Anerkennung 
gefunden hat? 
Zu diesem Zweck ist vor allem einmal die 
Fabrikzeitung erforderlich. 
Die zweite Forderung ist das Zusammen 
arbeiten derjenigen, die zur gegenseitigen Er 
gänzung als Gruppen in den Betrieb eingeordnet 
sind, als Abteilungen und Unterabteilungen. In 
diesen Gruppen und Abteilungen besteht heute 
sehr oft ein wüstes Qegeneinanderarbeiten statt 
des Miteinanderarbeitens, ein Denunzieren und 
Verleumden, das ungemein hemmend wirkt. 
Hier ist es dringend notwenig, das Prinzip der 
Mitverantworlichkeit zur Durchführung zu 
bringen, d. h. der Abteilungvorstand soll ein 
Mann des Vertrauens seiner Abteilungsmitarbeiter 
sein. Entweder wählt die Abteilung selbst ihren 
Vorstand oder aber, wenn keine für die Leitung 
geeignete Persönlichkeit da ist, so wählt die Ge 
schäftsleitung einen neuen Mann mit Zustimmung 
der Abteilung. 
Das klingt gewiss für manchen Direktor un 
geheuerlich, dass sich die Abteilungen selbst 
regieren, alle Angestellten mitverantwortlich sein 
sollen und die Geschäftsleitung über den Parteien 
stehen soll. Besteht aber eine solche Organi 
sation, dann ist der Abteilungsvorsteher die Ab 
teilung selbst, dann trifft jedes Verschulden, jeder 
Fehler die ganze Abteilung, und jeder Mann der 
Abteilung wird helfen und den Vorsteher unter 
stützen, damit die Arbeit zu einem Erfolge führt. 
Heute ist der Vorsteher nur der Vertrauensmann 
des Direktors und somit der Gegner der Leute, 
auf deren Mitarbeit er vollständig angewiesen ist. 
An Stelle des freiwilligen, interessierten Mit- 
arbeitens tritt die Disziplin, der Zwang, die 
Speichelleckerei, das Buhlen um die Gunst des 
Herrn Vorstehers. Allerdings ergibt sich aus 
dieser Organisation die Folgerung, dass nicht 
der Vorsteher allein, sondern die ganze Abteilung 
an einer Tantieme, an dem Erfolge gemeinsamer 
Arbeit Anteil haben muss. Und welche Erspar 
nisse an Material lassen sich erzielen, wenn jeder 
mann an dem Erfolge der Abteilung in dieser 
Weise interessiert ist. Vor allem soll die Ge 
schäftsleitung Wert darauf legen, dass die Glieder 
des Werkes sich auch als Menschen und 
Charaktere näherkommen und schätzen 
lernen. Hierzu dienen die Aussprachen, die in 
England mit einem Essen verbunden werden. Es 
sollten vierteljährlich oder halbjährlich freie Aus 
sprachen der Direktion und Abteilungsleiter, 
Meister und Beamten in Sonderstellungen statt 
finden, und die Ergebnisse in der Fabrikzeitung 
bekanntgegeben werden. 
Solange in grösseren Betrieben der Arbeiter 
und Angestellte zu einer Nummer herabgedrückt 
wird, die nichts als ihre ihr vorgeschriebene 
Arbeitsleistung ohne Meinungsäusserung herzu 
geben hat, ist es für jedermann, der aus eigner 
Erfahrung das Wesen der Fabrikarbeit kennt, 
ausser Zweifel, dass der Grad der Anteilnahme 
an der Arbeit und dem Unternehmen weiter 
sinken wird und sinken muss. 
Es handelt sich hier weder um eine Lohn- 
noch um eine Gehaltsfrage, sondern um nichts
	        
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