Full text: Bremens Warenhandel und seine Stellung in der Weltwirtschaft

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konnte der Importeur die Kundschaft an sich herankommen lassen. 
Jetzt, wo die Transport- und Nachrichtentechnik die überlieferten 
Formen über den Haufen geworfen hat, wo der Geschäftsbetrieb 
ein von Grund auf anderer geworden ist, muß er seinerseits an 
die Interessenten herantreten und geht unter, wenn er aus irgend 
welchen Gründen dem Fortschreiten der Zeit und dem Wechsel 
ihrer Bedingungen nicht zu folgen vermag. Die beiden Hanse 
städte und ihre merkantile Entwicklung in den letzten Jahrzehnten 
erinnern mich lebhaft an die verschiedenen Schicksale, die die 
beiden Familien in den bekannten Romanen zweier neuer Schrift 
steller erleben: Hamburg an »die Wiskottens« Herzogs und Bremen 
— leider — an die — hier stimmt auch das Milieu! — in Lübeck 
beheimateten »Buddenbrooks« Th. Mann’s. 
Die Vorliebe des Bremers, sich auf nur wenige Artikel »zu 
legen«, ist bekannt. Der Vater betrieb einen Baumwoll-, Tabak 
oder Wollhandel, und der Sohn und Schwiegersohn findet es bequem, 
sich dem gleichen Geschäftszweige zuzuwenden, da er in ihm schon 
eine gewisse Sachkenntnis hat und die Beziehungen der älteren 
Generation auch ihm zugute kommen. Für andere Artikel hat 
er kein Interesse. So brachte es Bremen in einigen Stapelartikeln 
zur Weltbedeutung, für die unzählige Menge der »kleinen Artikel« 
aber bestand kein Verständnis, trotzdem diese in ihrer Gesamtheit 
wichtiger sind als die wenigen forcierten Massenartikel. Nicht 
nur, daß sie in ihrer Menge mehr ausmachen und daß ihre Ver 
schiedenheit ein Sicherheitsventil bei Rückschlägen in einzelnen 
Branchen ist, sondern auch insofern, als ihr Vertrieb lohnender zu 
sein pflegt als der der »großen« Artikel, die eine durchweg 
geringere »Kommission« abwerfen. 
Als die alten bremischen Importfirmen zu Bedeutung und 
Wohlstand gelangten, waren die Transport und mit ihnen die 
ganzen Handelsverkehrsverhältnisse anders als jetzt. Das Segel 
war noch die Herrscherin der See. Überseehandel und Reederei 
wurden meist zusammen betrieben; sogar noch jetzt haben einige 
alte Firmen — vielleicht nur, um die alten Überlieferungen auf 
recht zu erhalten — eigene Segelschiffe schwimmen. Man mußte 
mit Wind und Wetter rechnen, die Reisezeit dauerte oft monatelang, 
die Ankunftszeit war unbestimmt. Die Ankünfte der Waren 
zogen sich unter diesen Umständen fast durch das ganze Jahr hin. 
Eine eigentliche »Saison« gab es deshalb nicht. Der Importeur 
hatte fast das ganze Jahr zu tun und mußte stets genügend Lager 
haben. Das ist der typische »Stapelhandel.«
	        
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