II. DIE INNEREN MERKMALE DES STAATES 265
Agrar- und Industriestaaten, Rohstofflieferanten. Die durch die
wirtschaftliche Tätigkeit der Menschen erzeugten Güter kann man
in vier Hauptgruppen einteilen, in die dem Pflanzen- und Tierreich
entnommenen Lebensmittel, in die Genußmittel, wie Tabak,
Kaffee, Tee u. a., in die Gruppe der Rohstoffe, die allen drei Natur-
reichen entnommen sein können, und in die durch Verarbeitung der
Rohstoffe erzeugten Industriewaren. Als fünfte Gruppe kann man
noch die Kraftstoffe absondern, wie die Kohle und das Petroleum;
auch das in Kraft umgesetzte bewegte Wasser wäre dann hierher
zu rechnen, Die Waren der ersten beiden Gruppen und auch viele
Rohstoffe, wie die der Web- und Lederindustrie, werden durch Be-
bauung des Bodens und durch Viehzucht, also durch landwirt-
schaftliche Arbeit gewonnen. Und wenn auch viele Lebens- und
Genußmittel, bevor sie in den Handel kommen, noch einer Verarbei-
tung oder Veredelung unterzogen werden, so können wir doch im
allgemeinen hinsichtlich der Erzeugung zwei große Warengruppen
bilden, die landwirtschaftliche und die gewerbliche. Je nach-
dem nun die wirtschaftliche Tätigkeit eines Staates mehr der einen
oder der anderen dieser Erzeugung angehört, können wir von land-
wirtschaftlichen oder Agrarstaaten und gewerblichen oder Industrie-
staaten reden. Von ihnen können wir noch solche Staaten, die
besonders viele Rohstoffe dem Weltmarkt liefern, als Rohstoffliefe-
ranten abtrennen,
Wiederum kommen diese Formen in reiner Ausbildung nicht vor.
Jeder Agrarstaat hat auch etwas Industrie, und ebenso bringt jeder
Industriestaat auch Urerzeugnisse der Landwirtschaft oder des Berg-
baus hervor, aber es genügt für unsere Unterscheidung, wenn die eine
oder die andere Wirtschaftstätigkeit in entscheidender Weise überwiegt.
Das beste Mittel für die Beurteilung gibt die Berufsstatistik; da
uns aber eine solche von vielen Staaten noch fehlt, müssen wir die
Liste der Ausfuhr- und Einfuhrgegenstände mit heranziehen.
In England waren im Jahre 1921 von der Gesamtheit der Erwerbstätigen
51,6 % in Industrie und Bergbau beschäftigt, in der Land- und Forstwirtschaft und
in der Fischerei aber nur 7,7 %, für Belgien sind die entsprechenden Zahlen 1920:
49,1 % und 16,0%, für die Schweiz 44,3% und 26,0%, für das Deutsche Reich
1925: 41,4% und 30,5%; das sind Industriestaaten. Dagegen hatten Finn-
land 1920: 70,4 %, Ungarn 58,3 %, Italien 1921: 55,7 %, Rußland 1926: gar 80,5 %
ihrer‘ Erwerbstätigen im land- und forstwirtschaftlichen Beruf; es sind Agrar-
staaten. — Die Ausfuhrliste Argentiniens nennt (1926) nach dem Werte
geordnet Mais, Weizen, Leinsamen, Häute, Wolle, Fleisch, Hafer, Quebracho,
Fett, Tiere, Mehl, Kleie.usw., eine den Agrarstaat deutlich kennzeichnende
Liste. Dagegen beginnt die Ausfuhrliste des Industriestaates England mit
Baumwollgeweben, Wollgeweben, Eisenwaren und Maschinen. An der Spitze
seiner Einfuhrliste stehen dagegen Getreide, Baumwolle, Fleisch, Holz, Wolle,
Zucker, Butter, Kautschuk, also Lebensmittel und Rohstoffe für die Industrie.
Endlich spiegelt sich in der Ausfuhrliste der Südafrikanischen Zollunion,
die Gold, Wolle, Diamanten, Straußenfedern, Häute und Felle, Kohlen, Angora-
haare, Kupfer nennt, ein Rohstofflieferant in ziemlich reiner Ausbildung
wider (vgl. Abb. 211 u. 212).
Die europäischen Staaten zeigen nach ihrer Wirtschaftstätigkeit eine
deutliche Gruppierung, indem der Osten vorwiegend agrarische, der