114 ERSTER TEIL: GEOGRAPHISCHE GÜTERLEHRE
England in Mesopotamien ein weiteres Rohstoffgebiet für seine Textil-
industrie schaffen will. Seit 1921 haben sich Anbaufläche und Krtrag
dort verfünffacht. Von den zahlreichen anderen Baumwolle bauenden
Ländern sind besonders noch China (Jangtse- und Hoanghotal),
Russisch-Asien (Ferghana) und Ostbrasilien hervorzuheben.
So sehen wir bei einer Rückschau auf die Entwicklung der Baum-
wollkultur seit dem Beginn unsres Jahrhunderts trotz mancher Schwan-
kungen im ganzen eine stetige Zunahme der Anbauflächen und
Erzeugung sich vollziehen. Die letztere stieg von 15 Millionen Ballen
um 1900 auf 26 Mill. im Jahre 1914. Dieser Steigerung ging parallel
eine solche des Verbrauchs, dessen jährliche Zunahme vor dem Kriege
mit einer halben Million Ballen zu veranschlagen ist. Der Weltkrieg
und die ihm folgenden Jahre brachten einen Rückschlag in der Er-
zeugung. KErst das Erntejahr 1924/25 mit seiner gegenüber dem Vor-
jahre sprunghaften Steigerung führte wieder zu der Ertragshöhe der
Vorkriegszeit, die seitdem erheblich überschritten wurde.
Verbrauch. Die in den verschiedenen Baumwolländern geernteten
Fasern wurden ursprünglich zum weitaus größten Teil in den Industrie-
staaten der gemäßigten Zone, namentlich denen Europas, verarbeitet.
Doch vollzog sich während der letzten Jahrzehnte in der Welt-Baum-
wollindustrie eine bedeutsame Änderung. Zwar blieb nach wie vor
West- und Mitteleuropa das erste Baumwollindustriegebiet der Erde, aber
seit langer Zeit suchten die außereuropäischen Baumwolle erzeugenden
Staaten ihre Ernte mehr und mehr in der eigenen Industrie zu ver-
arbeiten, um den Eigenbedarf an Baumwollstoffen selbst zu befriedigen
und die Ausfuhr von Rohbaumwolle durch die gewinnbringendere von
Fabrikaten zu ersetzen. Durch den Weltkrieg erlitt nun die gesamte
guropäische Baumwollindustrie infolge der ausbleibenden oder völlig
ungenügenden Zufuhr von Rohstoff einen schweren Schlag. Dagegen
vergrößerten in dieser Zeit die Vereinigten Staaten, Britisch-
Indien, Japan und selbst China, die andauernd über genügend
Rohstoffe verfügten, ihre Industrien wesentlich. Denn zu überaus
günstigen natürlichen Bedingungen, unter die für die asiatischen Staaten
auch das Vorhandensein zahlreicher und billiger Arbeitskräfte zu rech-
nen ist, trat nunmehr die Ausschaltung oder wesentliche Herabmin-
derung der europäischen Konkurrenz. Für die genannten vier Länder
zeigt die Statistik im Vergleich der Jahre 1913 und 1923 ein gewaltiges
Anwachsen der Spindelzahl und des Baumwollverbrauchs. Während
die Union von der Ernte 1910/11 nur ein reichliches Drittel im Lande
behielt, verarbeitete sie von der Ernte der Jahre 1915—1920 durch-
schnittlich die Hälfte. Die indische und chinesische Baumwolle wurde
nicht nur in steigendem Maße im eigenen Lande aufgearbeitet —
China hat von 1914 bis 1927 seine Spindelzahl auf das reichlich Drei-
einhalbfache erhöht, Britisch-Indien um die Hälfte —, sondern auch
in immer wachsenden Mengen von Japan eingeführt, dessen jährlicher
Baumwollverbrauch in der Zeit von 1913 bis 1927 von 1,6 Mill. Ballen
auf 2,9 Mill. stieg. Diese ganze Entwicklung hatte zur Folge, daß
immer weniger Rohbaumwolle für die europäische Industrie übrigblieb.
Im Jahre 1913 verbrauchte Westeuropa von der Baumwollernte der