Andere Besonderheiten der Vergesellschaftungs- Werbungs-Seelenaugenblicke usw. 455
Es ist allgemeiner — und in die Sprache der „Staatsgesetze“ über-
gegangener — Brauch, zu sagen, daß z. B. der „Staatsanwalt“ „Anträge
stellt“ und der „Richter“ einen „Vollstreckungs-Befehl“ erteilt. Indes
muß es eine nähere Betrachtung doch fraglich machen, ob in solchen
Fällen tatsächlich „Anträge“, „Befehle“, überhaupt echte Verhalten-
Werbungen vorliegen. Jede Verhalten-Werbung ist, wie wir bereits
dargelegt haben, Bezeichnungskörperliches, das sich als Wirkungsgewinn
in Beziehung zu einem Wollen darstellt, in welchem jene Werbung als
Mittel für einen emotional günstig gedachten Verhalten-Seelenaugen-
blick des Adressaten gedacht war. Fragen wir nun aber, ob es z. B.
für die von einem Staatsanwalte erhobene „Anklage“ wesentlich ist,
daß sie sich als Wirkungsgewinn in Beziehung zu einem Wollen des
Staatsanwaltes darstellt, in welchem er jene Anklage als Mittel für be-
sonderes emotional günstig gedachtes richterliches Verhalten, etwa „An-
beraumung der öffentlichen Verhandlung“, gedacht hat, so müssen wir
diese Frage verneinen. Denn die „Erhebung einer Anklage“ ist einer
jener Fälle, in welchen der Handelnde sagen kann: „Es tut mir leid,
ich erfülle nur meine Pflicht“, womit gesagt wird, daß der Han-
delnde mit seiner Handlung — dem. „Anklage erheben“ — besondere
eigene Pflicht erfüllt, aber das als Folge jener Handlung sich ergebende
Ander-Verhalten emotional ungünstig denkt, so daß auch nicht
gesagt werden kann, er „werbe“ um jenes Verhalten. In solchem
Falle liegt auch nicht etwa ein Wollen vor, in welchem besonderes „an
sich“ emotional ungünstig gedachtes Ander-Verhalten als Mittel für eine
emotional günstig gedachte Wirkung gewollt ist. Denn das „Ziel“
jenes Staatsanwaltes, der bloß „aus Pflicht“ eine Anklage erhebt, ist
nicht Etwas, wofür jenes Ander-Verhalten ein Mittel darstellt, ist viel-
mehr nichts anderes als Erfahrung des Erfüllungs-Wahrers eines an
ihn selbst gerichteten Anspruches, daß die durch jenen Anspruch be-
gründete Pflicht des Staatsanwaltes erfüllt wurde, ist also eine Wirkung,
welche sich als Verhinderung der Verwirklichung der Folge des eigenen
Sollens darstellt. Als „Mittel“ für jene Verhinderungs-Wirkung ist aber
lediglich das eigene „Anklage erheben“ gedacht, während das als Folge
solcher Handlung eintretende Ander-Verhalten lediglich als „künftige
unabsichtliche Neben-Leistung“ gewußt, also keineswegs emotional günstig
gedacht ist, vielmehr eben sogar „emotional ungünstig“ gedacht
sein kann, ohne daß deshalb der „Anklageerhebungs-Seelenaugenblick“
des Staatsanwaltes seinen Charakter als „Pflichterfüllung“ verliert. Ge-
wiß gibt es auch zahlreiche Fälle, in welchen ein „Anklage erhebender“
Staatsanwalt das sich ergebende Ander-Verhalten, also das ganze Straf-
verfahren bis zur Verurteilung des Angeklagten „emotional günstig“
denkt, aber solcher Gedanke ist für jenen Verhalten-Seelenaugenblick,
in welchem er seine Pflicht „als Staatsanwalt“ erfüllt, unwesentlich. da