Full text: Allgemeine Gesellschaftslehre

Grundwissenschaft und Gesellschaftswissenschaft. 43 
„Kulturgeschichte“ von der „Geschichtswissenschaft“ die „Geschichts- 
philosophie“, in welchem Gegensatze die „Geschichtswissenschaft“ eine 
Wissenschaft darstellt, welche besondere Einzelwesen durch besondere 
Wirkensbeziehungen bestimmt, hingegen die „Geschichtsphilosophie“ 
eine Wissenschaft, welche besondere Allgemeine durch identisch be- 
gründete Wirkenszusammengehörigkeiten bestimmt. 
„Beziehungs wissenschaften“ sind auch die „Wertwissen- 
schaften“ („wertenden Wissenschaften“), in welchen stets „mehrere 
Gegebene in Wertbeziehung“ bestimmt werden. Unzutreffend ist es 
also, wenn gesagt wird, daß „Wissenschaft treiben“ und „Werten“ ein- 
ander ausschließen. Denn „Werten“ ist ein „Etwas als Wert (bzw. 
auch Etwas als Unwert) bestimmen“, und es ist nicht einzusehen, daß 
das Streben, unklares Wissen um „Etwas als Wert, bzw. Unwert“ zu 
klarem Wissen zu entwickeln, kein Wissenschafts-Streben darstellt. Aller- 
dings aber sind eben die Wertwissenschaften nur besondere Be- 
ziehungswissenschaften, und die Beziehun gswissenschaften überhaupt 
eben nur besondere Wissenschaften, und es wird unendliche Verwir- 
rung dadurch gestiftet, daß man vorgibt oder meint, eine Einheits- 
wissenschaft oder eine nicht wertende Beziehungswissenschaft zu be- 
treiben, in Wahrheit aber wertet, also Gegebenes in Beziehung zum 
Gewinne von Lust oder Unlust, meist in Beziehung zum Gewinne 
eigener Lust oder Unlust bestimmt. „Wissenschaft“ und „Werten“ 
schließen einander also zwar nicht aus, da es eben „wertende Wissen- 
schaft“ („Wertwissenschaft“) gibt, aber es ist unumgänglich nötig, sich 
klar zu machen, welche Wissenschaft man eigentlich betreiben will, 
weil man fast unversehens aus der Bahn anderer Wissenschafts-Unter- 
nehmungen in die Bahn des Unternehmens einer wertenden Wissen- 
schaft, meist sogar einer Wissenschaft von eigenbezogenen Werten und 
Unwerten, gerät, Von den „wertenden Wissenschaften“ unterscheiden 
sich aber wieder die „Wissenschaften von Wertungen“, welche Ein- 
heitswissenschaften sind, da in ihnen besonderes Denken bestimmt 
wird, nämlich Denken, dessen besonderes Gedachtes „Mehreres in Wert- 
beziehung“ ist. „Denken von Mehrerem in Wertbeziehung“, 
also „Werten“, ist aber nicht selbst „Mehreres in Wertbeziehung“, 
ebensowenig wie etwa „Denken von Mehrerem in Wirkensbeziehung“ 
selbst „Mehreres in Wirkensbeziehung“ ist. Wenn man also den 
„Wwertenden“ Wissenschaften „wertfreie“, d. h. eigentlich „wertungsfreie“ 
Wissenschaften gegenüberstellt, so wäre es ein Irrtum, zu meinen, daß 
„Wertungsfreie“ Wissenschaften „wertungsblinde“ Wissenschaften 
sind, nämlich Wissenschaften, in welchen niemals „Wertungen“ 
bestimmt werden. Sehr groß ist allerdings die Verlockung, das 
Unternehmen einer „Wissenschaft von Wertungen“ in eine „wertende“ 
Wissenschaft übergehen zu lassen. da jener. der „Wertungen“ anderer
	        
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