Full text: Durch Abessinien und Erythräa

Essen in einen Brei verwandeln, den sie ihren Herrinnen in 
den Mund schieben. Als ich davon hörte, kamen mir 
Zweifel. Da mir aber daran lag, den wahren Sachverhalt 
zu erfahren, fragte ich eine abessinische Dame, die genügend 
lange im Ausland war, um entsprechend vorurteilslos zu 
sein. 
„Das ist natürlich falsch“, sagte sie, „wie so viele von den 
Geschichten, die Sie über uns hören. Wahr ist, daß eine 
Dienerin immer hinter dem Stuhl ihrer Herrin steht, die 
Speisen hinsichtlich ihrer Schmackhaftigkeit vorrichtet und sie 
zuerst kostet, ein Uberbleibsel der alten Giftprobe.“ 
Die Dame war eine Prinzessin, deren Vorfahren bis auf 
Menelik J. zurückführten. Ihre feingezeichneten Gesichts— 
züge, ihre hohe gerade Stirn und ihre schmalen vornehmen 
Hände ließen den Eindruck negroiden Charakters, der sich in 
ihrer dunklen Haut und in dem gekräuselten Haar aussprach, 
zurücktreten. Sie war erst kürzlich aus Europa zurück- 
gekehrt, wo sie Ras Taffaris Tochter, die in Lausanne zur 
Schule ging, und ihre eigenen Stiefkinder, die in Eng— 
land erzogen wurden, besucht hatte. „In Europa kleide ich 
mich nach Pariser Art, aber ich trage immer meine Schamma 
darüber“, sagte sie, indem sie auf den langen, schärpenähn⸗ 
lichen Schal, dieses typischste aller abessinischen Kleidungs⸗ 
stücke, zeigte, „ich fühle mich darin behaglicher.“ Sie war es 
auch, die mir zuerst von der abessinischen Sitte erzählte, ein 
Kind nach den ersten Worten zu benennen, die von der 
Mutter nach der Geburt gebraucht wurden. Seit der Zeit 
bat ich immer um eine Übersetzung aller Namen, die ich 
hörte, weil ich damit einen Schlüssel zu dem Temperament 
und dem Ehrgeiz der abessinischen Frauen, und zwar ebenso⸗ 
wohl der im Palast als auch der in den Tukuls, in Händen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.