Full text: Einführung in die Kriegswirtschaftslehre

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chende Wehrkraft zu schaffen. Armee und Flotte 
sind nicht nur durch ihre Rüstung allein stark, 
sondern auch durch ihre Organisation und ihren 
Geist.» 
Diese Gesichtspunkte haben denn auch da 
zugeführt, daß ein Adam Smith, der als Vertreter 
der Freihandelslehre Zölle und Bevorzugungen 
bestimmter Erwerbszweige prinzipiell verwarf, 
eine Ausnahme zugunsten der Landes 
verteidigung machte. Er kennt noch eine 
zweite Ausnahme, die sog. Retorsionszölle, die 
als Repressalie verhängt werden; sie haben für 
uns hier kein Interesse. Ueber die im Interesse 
der Verteidigung Großbritanniens zugestandenen 
Maßnahmen äußert er sich folgendermaßen*: 
«Es hängt die Verteidigung Großbritanniens 
sehr von der Zahl seiner Seeleute und Schiffe 
ab. Die Navigationsacte ist deshalb sehr zweck 
mäßig darauf bedacht, den Seeleuten und der 
Rhederei des Landes das Monopol ihres Ge 
werbes zu geben, teils durch unbedingte Verbote, 
teils durch schwere Belastung der fremden Rhederei. 
Die wichtigsten Vorschriften des Gesetzes sind 
folgende: 
Erstens ist allen Schiffen, deren Eigner, 
Führer und drei Viertel der Mannschaft nicht 
britische Untertanen sind, bei Strafe des Verlustes 
von Schiff und Ladung, jeder Verkehr mit den 
britischen Niederlassungen und Pflanzungen sowie 
jeder Küstenhandel in Großbritannien untersagt. 
Zweitens darf eine große Zahl der umfäng 
lichsten Einfuhrartikel nur entweder in Schiffen 
der bezeichneten Art oder in Schiffen des Erzeu 
gungslandes .. . eingeführt werden; und sind 
sie . . . einem doppelten Fremdenzoll unter 
worfen. . . . 
Drittens dürfen sehr viele Artikel der um 
fänglichsten Art selbst in britischen Schiffen nur 
unmittelbar aus den Erzeugungsländern eingeführt 
werden... Diese Vorschrift war vermutlich gegen 
Holland gerichtet . .. 
Als das Navigationsgesetz erlassen wurde, 
befanden sich England und Holland zwar nicht 
im Kriege miteinander, doch bestand die heftigste 
Erbitterung zwischen beiden Nationen . . . Der 
Nationalhaß hatte zu jener Zeit denselben Zweck 
im Auge, den der besonnenste Verstand zu emp 
fehlen vermochte: die Verminderung der See 
macht Hollands, der einzigen, welche Englands 
Sicherheit zu gefährden imstande war. 
Für den auswärtigen Handel und den Zu 
wachs an Reichtum, der aus demselben entstehen 
kann, ist das Navigationsgesetz nicht vorteil 
haft . . . Da indessen die Landesverteidigung 
wichtiger ist als Reichtum, so dürfte das Navi 
gationsgesetz vielleicht die weiteste aller eng 
lischen Handelsverordnungen sein. Das Navi 
gationsgesetz wurde erst 1847 aufgehoben, als 
Englands Seemacht bereits eine weltbeherrschende 
Stellung einnahm und die Zahl seiner Handels- 
* Ad. Smith. Ueber die Quelle des Volkswohl 
standes, deutsch v. Asher, 1. Bd. Stuttgart 1861, S. 445. 
matrosen mehr als ausreichend war. Das be 
weisen denn auch die Daten über die britischen 
Schiffsbauten, die nur kurze Zeit eine Reduktion 
aufwiesen. 
In Oesterreich-Ungarn sind es vor allem die 
Küstenbewohner Dalmatiens, die als Matrosen der 
Kriegsmarine in Fragen kommen. Wir haben schon 
oben bei Besprechung der Auswanderungsfrage 
auch dieses Moment berührt. In einer sehr 
lesenswerten Broschüre bespricht der frühere 
österreichische Handelsminister Baernreither diese 
Frage und betont unter Hinweis auf Mitteilungen 
des Abgeordneten Lupis, wie wichtig es wäre, 
durch eigene Subventionen die Küstenschiffahrt 
zu fördern* 
«Den ersten großen Anstoß zur Massenaus 
wanderung gab die berüchtigte Weinzollklausel 
des italienischen Handelsvertrages. Schon vorher 
war der dalmatinische Bauer, der auf den Wein 
bau angewiesen ist, in schlechten finanziellen 
Verhältnissen ... er mußte für geliehene Gelder 
20% und mehr, in einzelnen Fällen sogar 50% 
bezahlen . . . Als dieser Preis infolge des italieni 
schen Handelsvertrages (und. ich darf wohl hin 
zufügen, auch infolge der Abnahme der französi 
schen Nachfrage, als in Frankreich die Zer 
störungen der Phylloxera gutgemacht waren) . . . 
sank, die Weinkultur zudem wegen Bekämpfung 
der Peronospora kostspielig wurde und im Nor 
den von Dalmatien auch noch die Phylloxera die 
Weingärten zerstörte — trat die Katastrophe ein; 
ganze Dörfer, ja ganze Bezirke wurden bankerott... 
Um diese Zeit blühte in Neuseeland das Aus 
graben des Dammaraharzes. Viele der durch die 
Krisis zu Schaden gekommenen Gläubiger borgten 
ihren Schuldnern als ein letztes Mittel das Geld 
zur Ueberfahrt nach Neuseeland. Jetzt begann 
Geld ins Land zu strömen ... ln den darauf 
folgenden Jahren wurden viele Millionen Kronen 
v<jn Neuseeland nach Dalmatien geschickt, alte 
Schulden bezahlt, neue Häuser gebaut und Land 
gekauft... Es wurde zur Uebung auf 2—-4 Jahre 
hinüberzugehen, auch wiederholt hinüberzugehen. 
Diese Art Auswanderung nahm aber ein Ende. 
An ihre Stelle trat eine Auswanderung, die einen 
ganz anderen Charakter hatte. Der Stein der 
Emigration war eben einmal im Rollen ... es 
wendeten sich die Auswanderer nach Nordamerika, 
Südafrika, Australien und Südamerika . . . Die 
genannten Länder, vor allem Nordamerika, absor 
bieren und assimilieren fremde Einwanderer, be 
sonders wenn sie jung sind, viel leichter, so daß 
in der Auswanderung von Kindern und jungen 
Personen eine große Gefahr für Dalmatien liegt. 
Von 100 jugendlichen Auswanderern sind 80 
dem Vaterlande verloren. Sie lernen die Sprache 
leicht, finden lohnende Arbeit, befreien sich von 
der Militärpflicht, kommen nicht mehr zurück, 
senden aber auch ihre Ersparnisse nicht mehr 
nach Hause und helfen auch ihren armen Ver- 
* J. M. Baernreither. Ein Herbstausflug in die 
Dinarischen Alpen. Wien 1913. S. 10 ff.
	        
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