Full text: Einführung in die Kriegswirtschaftslehre

Erwägungen als zweckmäßig erweisen, daß man 
die Armee als einen selbständigen Körper auffaßt, 
der gewissermaßen als gewöhnlicher Kaufmann 
auftritt. Es kann so unter Umständen das Gesamt 
wohl am meisten gewinnen. Es ist aber auch 
möglich, daß nur die Berücksichtigung allgemein 
staatlicher Gesichtspunkte diesen Erfolg sicher 
stellt. Ob das eine oder das andere anzustreben 
ist, kann nicht von vornherein ent 
schieden werden, es erfordert diese Ent 
scheidung grundsätzliche Erwägungen von Fall 
zu Fall. 
Allgemeine Gesichtspunkte kommen auch in 
Frage, wenn das Prinzip der Zentralisation oder 
Dezentralisation erörtert wird. Auch in diesem 
Falle reichen rein fiskalische Erwägungen keines 
wegs aus. Die Vorteile und Nachteile beider Or 
ganisationstypen treten besonders im Kriegsfall 
zutage. 
Diejenigen, welche im Kriegsfälle eine größere 
Zentralisation wünschen, werden auch im Frie 
densfall für die Schaffung von Zentralisations 
kaders eintreten, während jene, die im Kriege die 
Dezentralisation für nötig erachten, auch im Frieden 
analoge Maßnahmen zu befürworten pflegen. 
Wenn dies die Armee tut, muß aber auch das 
übrige Staatsleben darauf Rücksicht nehmen. 
Dadurch greift wieder das Problem über den 
Rahmen der Militärwirtschaft weit hinaus und 
betrifft bereits die Gesamtwirtschaft. In Oester 
reich-Ungarn werden die militärwirtschaftlichen 
Maßnahmen insbesondere durch die staatliche 
Struktur bedingt. Der für Heereslieferungen bis 
zu einem erheblichen Ausmaß zur Anwendung 
kommende Quotenschlüssel, wenn es sich um die 
Beteiligung österreichischer und ungarischer Lie 
feranten handelt, veranlaßt bereits Maßnahmen, 
die nicht rein fiskalischen Interessen dienen. Und 
wenn heute insbesondere seitens Galiziens ge 
fordert wird, daß die einzelnen Kronländer in be 
stimmter Weise zu berücksichtigen seien, so 
handelt es sich dabei wieder um Forderungen 
zugunsten des öffentlichen Wohls der Monarchie 
oder einzelner Gebiete derselben. 
Wir sehen, wie schon in Friedenszeiten, die 
rein fiskalischen Tendenzen durch andere zurück 
gedrängt werden; noch stärker dürfte das in 
Kriegszeiten der Fall sein. Während aber in Frie 
denszeiten eher die Erwägungen zugunsten der 
Zivilbevölkerung erfolgen, dürfte im Kriegsfall das 
Gegenteil der Fall sein. Die militärischen Ziele 
pflegen dann alle anderen in den Hintergrund zu 
schieben, wenn auch die leitenden Politiker immer 
bemüht sein dürften, die Gesamtheit im Auge zu 
behalten. Es gelingt freilich nie ganz, die Fülle 
der Probleme immer auf die obersten Ziele hin 
zu orientieren. Vieles geschieht durch die Bestre 
bungen einzelner Organe, die zwar durch ihre 
Struktur der Gesamtheit angepaßt sind, aber 
in den einzelnen Aktionen oft ein unab 
hängiges Dasein besitzen. 
Die Frage, wann die Beschaffung der Güter 
durch Geld, wann jene durch Verwaltungsmaß 
nahmen im Interesse des Staates vorzuziehen ist, 
wann Mischungen beider, kann nicht allgemein 
beantwortet werden. Vor allem dürfen wir nicht 
vergessen, daß die Beschaffung auf kommer 
ziellem Wege immer den Vorteil voraus hat, daß sie 
der Tradition entspricht und damit den zahllosen 
Einrichtungen und Gewohnheiten, die sich im 
Laufe von Jahrhunderten gebildet haben. Damit 
ist nicht gesagt, daß alles Ueberlieferte gut ist, 
wohl aber, daß die Beseitigung überkommener 
Institutionen mit ihren zahllosen, oft unüberseh 
baren Nebenwirkungen immer ausdrücklich in 
Rechnung zu stellen ist. 
Wenn im folgenden zunächst die mehr kom 
merziellen Methoden der Bedarfdeckung, sowie 
die Beschaffung der Geldmittel behandelt werden, 
so geschieht dies deshalb, weil diese Formen, 
solange ein Krieg nicht besonders große Dimen 
sionen annimmt, mit mäßigen Modifikationen er 
halten bleiben dürften. Im Weltkrieg freilich ist 
das Zurücktreten der Geld- und Kreditwirtschaft 
gar nicht unmöglich,dann haben die hier an erster 
Stelle gegebenen Betrachtungen geringere Be 
deutung. 
V. Aufgaben und Wesen des Geldes. 
Kriegsfinanzielle Probleme kann man im all 
gemeinen ruhig öffentlich besprechen, da es 
eigentlich wenig zu verheimlichen gibt. Es sind 
mehr Einzelheiten und konkrete Daten, die man 
nicht zu veröffentlichen pflegt, die grundsätzlichen 
Probleme dagegen — und die sind hier für uns 
das wichtigste — können auf Grund der allge 
mein bekannten Daten besprochen werden. Wenn 
der finanzielle Apparat im Kriegsfälle gut funk 
tionieren soll, muß eine verhältnismäßig große 
Zahl von Menschen über ihr Verhalten orientiert, 
auch müssen viele Maßnahmen getroffen werden. 
Von den geheim gehaltenen Vorkehrungen ver 
dient übrigens ein erheblicher Teil die Geheim 
haltung kaum, weil sich jeder ohne sonderliche 
Schwierigkeit ausmalen kann, worin sie 
wohl bestehen dürften. Die öffentliche Erörterung 
kriegswirtschaftlicher Fragen ist aber im allge 
meinen ein großer Gewinn, weil prinzipielle 
Mängel zutage kommen und weil die Beseitigung 
solcher Mängel durch die wissenschaftliche Dis 
kussion meist wertvoller sein dürfte, als die Verheim 
lichung von oft recht untergeordneten Maßnahmen. 
Die öffentliche Diskussion kann denkenden Men 
schen, welche außerhalb der militärischen und 
zivilen Verwaltung stehen, Gelegenheit bieten, 
Anregungen zu geben und vorgeschlagene Maß 
nahmen zu kritisieren. Dies ist deswegen nicht 
unwichtig, weil in der Gegenwart in kriegswirt 
schaftlicher Hinsicht wenig geschehen ist und 
daher möglichst alle geeigneten Kräfte genützt 
werden sollten. 
Die Beschaffung von Geld seitens des 
Staates dient einem doppelten Zweck. Einerseits 
kann das Geld dazu dienen, dem Staat einen
	        
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