Full text: Einführung in die Kriegswirtschaftslehre

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zeugen, ohnweit Gravesend die ganzen Ladungen 
von Fischen ins Wasser geworfen. Dieses zu hin 
dern, wurde auf Befehl des Lord Majors, der die 
Jurisdiction über die Themse hat, Gerichtsbeamte 
nach Gravesend beordert, solche Frevler auf der 
Tat zu ertappen, um sie nach den Gesetzen zu 
bestrafen.» 
Tabelle II. 
Steigerung der Rentabilität durch Gütervernichtung 
Anzahl 
der pro 
duzierten 
Stücke 
Selbstkosten 
Erlös 
Reingewinn 
pro 
Stück 
im 
Ganzen 
pro 
Stück 
im 
Ganzen 
pro 
Stück 
im 
Ganzen 
in 
°lo 
100 
12 
1200 
12-60 
1260 
0-60 
60 
5 
150 
8 
1200 
8.72 
1308 
0-72 
108 
9 
200 
6 
1200 
6-30 
1260 
0-30 
60 
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Suchen wir diese Schilderung in die Form 
eines Schemas zu kleiden. Da es sich im Beispiel 
der Fischer um eine Produktion handelt, bei der 
die Herstellung der größeren Menge ebenso viel 
kostet, wie die Herstellung der kleineren, sind die 
Gesamtselbstkosten in Tabelle II als konstant mit 
1200 angesetzt. Die Verkaufspreise sinken, wenn 
eine größere Menge auf den Markt kommt, und 
zwar haben wir unser Beispiel so gewählt, daß 
der Gesamterlös zunächst steigt, dann aber fällt. 
Wenn die Fischer 100 Mengen Fische auf den 
Markt bringen, verdienen sie weniger, als wenn sie 150 
auf den Markt bringen, anderseits verdienen sie mit 
150 Fischmengen mehr als mit 200. Folglich ist 
es im Interesse der Fischer gelegen, 50 Mengen 
Fische zu vernichten. Derartige Fälle werden in 
der Geschichte oft berichtet, und zwar bis in die 
jüngste Zeit herauf. Dies Beispiel zeigt ganz deut 
lich, daß es jedenfalls eine «Ueberproduktion» 
geben kann, die zweifellos nichts mit einer un 
zweckmäßigen Verteilung der produktiven Kräfte 
zu tun hat, denn durch die Vernichtung der Fische 
wird keine Produktion an einer anderen Stelle ge 
fördert. 
ln der Gegenwart wird im allgemeinen die 
Vernichtung von Produkten seltener Vorkommen, 
als die absichtliche Reduktion der Produktion, 
weil die Voraussicht größer ist, als früher und 
weil vor allem es sich heute in der Mehrzahl der 
Fälle um Produktionen handelt, deren Kosten 
wachsen, wenn die erzeugte Menge zunimmt. 
Wir sehen jedenfalls schon aus den bisherigen 
Andeutungen, daß in unserer Organisation keine 
vollständige Ausnützung der vorhandenen produk 
tiven Kräfte stattfindet. Dies gilt bezüglich der 
Rohstoffe, der Maschinen, des Grundes und Bodens 
ebenso wie bezüglich der Menschen. Diese Er 
scheinung ist militärisch von großer Bedeutung, 
und zwar mittelbar und unmittelbar. Ich will nur 
auf ein und das andere hinweisen. Die ungenügende 
Ausnützung der produktiven Kräfte kann dazu 
führen, daß wegen der in einem Lande vorhandenen 
Anbaumöglichkeiten für Getreide, die vorhandenen 
Viehweiden nicht ausgenützt werden, was die 
Schlagkraft eines Staates herabzusetzen geeignet 
erscheint. 
In den Alpen stoßen wir immer wieder auf 
Almen, die bis vor kurzem noch der Viehhaltung 
dienten, während sie jetzt verlassen sind, weil die 
Almenwirtschaft dem Bauer nicht mehr rentabel 
genug erscheint. Besonders markant tritt für die 
Heeresverwaltung die Tatsache der ungenügenden 
Ausnützung der Produktivmittel zutage, wo es 
sich um das Produktivmittel «Mensch» handelt. 
Ebenso wie es für den Unternehmer Fälle 
gibt, in denen es sich ihm nicht rentiert, die im 
Lande vorhandenen Rohstoffe nnd Maschinen 
auszunützen, so gibt es auch Fälle, in denen es 
sich ihm nicht rentiert, die vorhandenen Arbeits 
kräfte voll auszunützen. Die Gegenwart kennt 
denn auch Arbeitslosigkeit großer Massen als 
eine häufige Erscheinung, die nicht selten Aus 
wanderung zur Folge hat. Wenn die Menschen in 
der Heimat keine Möglichkeit haben, Arbeit und 
Erwerb zu finden, ziehen sie in die Fremde. Die 
Auswanderung, ein Produkt der unvollständigen 
Ausnützung produktiver Kräfte in unserer Organi 
sation, macht sich militärisch vor allem durch 
den Ausfall bei den Stellungen bemerkbar. Im 
Jahre 1913 soll dieser Ausfall weit über 100.000 
Mann betragen haben, wobei nach meinen Infor 
mationen etwa 87.000 allein auf die Hauptaus 
wanderungsgebiete Galizien und die Bukowina 
entfallen sind. Fehlbeträge über 60% sind in den 
Auswanderungsgebieten nichts Seltenes. Diese 
Auswanderung ist besonders in den Gebieten des 
Großgrundbesitzes sehr stark, der eine der wich 
tigsten Auswanderungsursachen ist. In Galizien 
und der Bukowina finden wir riesige Besitzungen 
und Parzellen dicht nebeneinander. Bei der starken 
Auswanderung spielt auch Abenteuerlust, Furcht 
vor dem Militärdienst mit, aber all diese Mo 
mente verschwinden fast völlig hinter dem 
Hauptmoment: Mangel an Erwerbsmöglichkeit. 
Man sieht dies ganz deutlich, wenn man die 
Ueberseewanderung nach der Hafenstatistik ins 
Auge faßt. 
Tabelle III. 
Ueberseewanderung aus Oesterreich nach der Hafen 
statistik. 
1906 
1907 
1908 
1909 
1910 
1911 
1912 
136.000 
154.000 
58.000 
132 000 
142.000 
92.000 
131.000 
Tabelle 111 zeigt deutlich, daß im Jahre 1908 
die Auswanderung nach der Hafenstatistik, die 
freilich nur einen Teil der Auswanderer erfaßt, 
deutlich abnimmt, sie geht fast auf ein Drittel 
herunter. Wie erklärt sich diese Tatsache? Im 
Jahre 1907 trat in den Vereinigten Staaten eine 
große Krise ein. Konkurse, Massenentlassungen 
von Arbeitern waren an der Tagesordnung. Sehr 
deutlich kann man den Einfluß der Erwerbsver 
hältnisse auf die Wanderbewegung auch aus der
	        
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