Full text: Wissenschaftlicher Sozialismus, Kommunismus, Anarchismus und Bolschewismus

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Zweites Kapitel. 
Der utopische Sozialismus. 
i. 
Allen älteren sozialistischen Lehren und Systemen bis et-wa zur Mitte 
des 19. Jahrhunderts, bis zum Auftreten von Karl Marx und Friedrich 
Engels ist ein gemeinschaftlicher Grundzug zu eigen: das absolute Ver 
trauen auf.die Eilte Gottes, des weisen Schöpfers der Welt, der Welt selber 
und der ganzen Menschheit. „Alles was Gott machte, machte er gut" 
(Fourier). Deshalb ist im Grunde genommen auch der Mensch gut, er 
ist entwickelungsfähig, „perfectibel" im höchsten Grade, und ist ebenso 
„soziabel". Der Grund für sein zweifellos weit verbreitetes Unglück liegt in 
der mangelhaften, verkünstelten Organisation der Gesellschaft. Es gilt, die 
ewigen Gesetze der „natürlichen Organisation" der menschlichen Gesellschaft 
aufzufinden und wieder in ihre Rechte einzusetzen. „Nur die Wahrheit, die 
bisher auf das Heftigste vom wilden Wahne bekämpft worden ist, kann die 
Menschheit auf der Bahn des Fortschritts weiter führen." (Droen.) Die 
soziale Frage ist also eine Frage des Wissens, der Erkenntnis. Fördert nur 
diese und die beste, „natürliche" Gesellschaftsordnung ist auf dem Marsche. 
Diese geradezu kindliche, naive Auffassung von der grenzenlosen Ver 
besserungsfähigkeit des Menschen, diese absolute Zuversicht auf die Güte der 
Natur und des Menschen, diese Ueberzeugung von dem Primat der theoreti 
schen und praktischen Vernunft, über die Triebe des Willens und des Eigen 
nutzes bildet den Kern und Mittelpunkt des ganzen älteren Sozialismus. 
Die wirklichen Triebfedern des sozialen Lebens: Selbstsucht und Eigen 
nutz der verschiedenen Wirtschaftsklassen und ihren Kampf gegeneinander 
verkannten diese Systeme vollständig. Mit Recht erklärt Werner Sombart 
von ihren Lehren „der Glaube an die Aufklärung, an die Macht des Wis 
sens vom Guten war das Allbeherrschende an ihnen" (S. 45). Daher wegen 
der grenzenlosen Ueberschätzung der Macht der Vernunft und der Einsicht 
iny wirtschaftlichen und sozialen Leben ihre Bezeichnung als „rationalistische 
Sozialisten" und wegen ihrer gänzlichen Verkennung der wirklichen Trieb 
federn des sozialen Lebens ihre Abstempelung zu „utopischen" Sozialisten. 
Daher auch ihre Abneigung gegen allen Tageskampf und selbst gegen alle 
Politik. Daher die Ablehnung selbst des gewerkschaftlichen Klassen- und 
Machtgedankens durch bie geistigen Häupter dieser jetzt längst verklungenen 
und versunkenen geistigen Bewegung, denn wozu etwas im schweren Kampfe 
mit den widerstrebenden Gewalten, mit dem Unternehmertum insbesondere 
erzwingen, wenn man es friedlich durch Belehrung und durch Bekehrung der 
Widerstrebenden genau so gut, ja noch besser erreichen kann? Eben deshalb 
auch konnte diese die feinsten und besten Köpfe ihrer Zeit erfüllende höchst
	        
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