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III. Der Kapitalmarkt.
die Höhepunkte der Konjunkturen in Epochen starker Rapitalinvestierung
am besten geeignet, da um diese Zeit die Rentenkurse am tiefsten stehen.
Aus dieser Erwägung heraus haben die schottischen Banken in der Zeit
der Rapoleonischen Rriege planmäßig Renten gekauft und damit gute
Erfahrungen gemacht. Zn striktem Gegensatz zu vernünftiger Bank-
politik legt aber eine Reihe neuerer auf dem Rontinent erlassener Ge
setze den Sparkassen die Verpflichtung zur dauernden Anlegung einer
Quote ihrer Gelder in Renten auf; hätten derartige Gesetze in der
Zeit seit 1880 in Rraft gestanden, so würden die meisten deutschen und
österreichischen Sparkassen in den letzten Zähren ihre Reserven durch
Rursverluste eingebüßt haben. Der Zwang zur Rentenanlage ist in
Epochen steigenden Zinses für Banken und Sparkassen ohne dauern
den Schaden, in Epochen fallenden Zinses bringt er Verlust und ist
überdies überflüssig, da dann genügend viel Rentenkäufer vorhanden
sind. Ebenso ist die fortgesetzte Anlegung der Mittel der Postsparkassen
in Renten bedenklich, da dadurch eine Immobilisierung dieser Organi
sationen gerade in jenen Tagen eintritt, in welchen der Staat sie am
stärksten benötigt.
Zn Epochen fallenden Zinses pflegen die Rreditbanken sich um
Rentenemissionen heiß zu bemühen, die Verbindung mit Pfandbrief
banken wird lebhaft gesucht, die Rate des Ronsortialnutzens ist wegen
der leichten Unterbringungsmöglichkeit gering. Zn Epochen steigenden
Zinses steigt der Zwischengewinn der Ronsortien, die schwächeren Schuld
ner müssen Nebenverpflichtungen eingehen (zum Beispiel Lieferungen
an Auslandsstaaten) oder in dauernde Verbindung mit einer Rredirbank
treten (zum Beispiel Hypothekenbanken); dauernde Beziehungen im
Ronsortialgeschäft können in solchen Tagen leichter geknüpft werden.
Die Anwendung der Ronjunkturpolitik bei Gewährung von An
lagekredit und im Finanzgeschäft charakterisiert die auch in der Gegen
wart nicht sehr zahlreichen Lanken, die die wirtschaftliche Entwicklung
vorherzusehen sich bemühen. Die meisten Bankdisponenten pflegen
bei Flüssigkeit des Rapitalmarktes über den Ueberfluß, bei Rnappheit
über Mangel an Mitteln zu klagen; starke Mittel zu Beginn der Ron-
junktur verleiten aber leicht zu schlechten Geschäften — die nach alter
Erfahrungsregel in der Zeit billigen Geldes gemacht werden —, die
Anspannung am Höhepunkt bindet die Hände in Zeiten, in denen die
Wirtschaft Rapital am dringendsten benötigt und Gelegenheit zu den
lohnendsten Finanzgeschäften geboten ist. Die Geschäfte, die 1907
oder 1915 zum Abschluß kamen, waren fast ausnahmslos gut, denn die
wenigen Besitzer verfügbarer Mittel konnten konkurrenzlos aus lange,.