Full text: Bericht der Zentralstelle zur Beschaffung der Heeresverpflegung für die Zeit bis zum 30. April 1916

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Hafer und Mengkorn aus Hafer und Gerste. 
Während in den Monaten September und Oktober 1914 der von der Heeresverwaltung 
angeforderte Hafer mit Hilfe der Landwirtschaftskammern und des Handels ohne größere 
Schwierigkeiten beschafft werden konnte, trat auch hier eine Aenderung ein, als durch die Bundes 
ratsverordnung vom 5. November 1914 (Reichs-Gesetzbl. S. 469) für Hafer Höchstpreise fest 
gesetzt wurden. Zwar gab es bezüglich des Hafers keinen derartigen Wettbewerb, wie er beim 
Brotgetreide durch den Ankauf der Mühlen hervorgetreten war. Hier machte sich jedoch die 
Knappheit der vorhandenen Vorräte allmählich in stärkerem Maße bemerkbar. Trotzdem die 
für die Haferbeschaffung geltenden Bestimmungen in gleicher Weise abgeändert wurden, wie die 
für die Brotgetreidebeschaffung (Abnahme auf der Verladestation, Bewilligung der Kommissions 
gebühr von 3,50 M.), erwies es sich von Ende November an als nicht möglich, die Anfor 
derungen der Heeresverwaltung völlig zu befriedigen. 
Auch die Abänderung der Höchstpreisverordnung vom 19. Dezember 1914 (Reichs- 
Gesetzbl. S. 525h durch welche die Höchstpreise für Hafer um 2 M. für die Tonne erhöht 
wurden, führte kein befriedigendes Angebot herbei. Ebenso beseitigte die Erhöhung der Kom 
missionsgebühr auf 4 M. für die Tonne, welche die Zentralstelle im Anschluß an die Bundes 
ratsverordnung vornahm, die Schwierigkeiten nicht. Es war daher nötig, der Zentralstelle 
umfangreiche Zwangsbefugnisse zu gewähren. 
Die Grundlage für eine zwangsweise Beschaffung von Hafer bot das Gesetz vom 
4. August 1914 betreffend die Höchstpreise (Reichs-Gesetzbl. S. 339) in der Abänderung der 
Bundesratsverordnung vom 17. Dezember 1914 (Reichs-Gesetzbl. S. 513). In § 2 des abge 
änderten Gesetzes war bestimmt, daß das Eigentum an Gegenständen, für die Höchstpreise fest 
gesetzt sind, durch Anordnung der zuständigen Behörde einer von ihr bezeichneten Person auf 
ihren Antrag übertragen werden kann. Dieser Anordnung hat eine Aufforderung der zuständigen 
Behörde zur Ueberlassung vorauszugehen. In Preußen waren als zuständige Behörden in den 
Landkreisen die Landräte, in den Stadtkreisen die Magistrate (Oberbürgermeister) bestimmt. 
Außer von den zuständigen Behörden konnte jedoch die Aufforderung zur Ueberlassung auch von 
Personen ausgehen, die zum Erlasse der Aufforderung von der Landesbehörde besonders ermächtigt 
waren. Diese Aufforderung mußte dann von der zuständigen Behörde innerhalb einer Woche 
bestätigt werden. Das Preußische Ministerium des Innern ermächtigte die Zentralstelle durch 
Erlaß vom 23. Dezember 1914, diese Aufforderung zu erlassen. Aehnliche Ermächtigungen 
ergingen durch die Ministerien der anderen Bundesstaaten. Sobald der Zentralstelle bekannt wurde, 
daß sich Hafer bei einer bestimmten Person befand, erließ sie derartige Aufforderungen. In 
den meisten Fällen wurde daraufhin der Hafer freiwillig überlassen; geschah das nicht, so erfolgte 
die Enteignung, nachdem die Aufforderung durch die zuständige Behörde bestätigt war. 
Auf diesem Wege allein konnte jedoch der erforderliche Hafer nicht erlangt werden. 
Wenn die Zentralstelle Nachricht davon erhielt, daß sich irgendwo Hafer befand, so verging 
immerhin einige Zeit, bis die an den Besitzer gerichtete Aufforderung zugestellt wurde. In 
zwischen war der Hafer vielfach bereits in andere Hände übergegangen. Um diese Schwierig 
keiten zu vermeiden, ermächtigte der Preußische Herr Minister des Innern die Zentralstelle in 
einer weiteren Verfügung vom 27. Dezember 1914, den Landräten eine Gesamtmenge zur Be 
schaffung aufzugeben. Ein solcher Antrag der Zentralstelle galt zugleich als Antrag, nötigenfalls 
die erforderlichen Mengen zu enteignen. Dabei brauchte die Zentralstelle nicht im einzelnen den 
Namen des Besitzers, die Menge und den Ort, an dem sich die Gegenstände befanden, anzu 
geben. Die Landräte hatten vielmehr auf Grund der in ihrem Besitz befindlichen Unterlagen 
selbständig festzustellen, wo sich in ihrem Kreis Hafer befand, und demgemäß die entsprechenden 
Aufforderungen zu erlassen. 
Nachdem diese Ermächtigung erteilt war, wandte sich die Zentralstelle an sämtliche 
Kreise und gab jedem Kreis zur Lieferung bis 15. Januar 1915 eine bestimntte Menge Hafer 
in Auftrag. Auf diese Weise wurden im Monat Januar rund 190 000 Tonnen Hafer für das
	        
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