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Möglichkeit der Stationierung aufzuheben und eine Markt
gestalt ung zuzulassen, die unsere sozialen Schwierigkeiten
noch vermehren muß te.
Daß ieh damit nicht die Dauer der Zwangswirtschaft, aueh nicht
das generelle Festhalten an ihr proklamieren will, ist selbstverständlieh.
Schon die Lockerungen der staatlichen Autorität maeheu eine weitere
Durchführung eines ganz starren Wirtschaftssystems unmöglich. Aber ein
plötzlicher, genereller Übergang zur Wirtschaftsfreiheit wäre
eine Katastrophe, wie dies vor acht Tagen auch Schumpeter hier
gesagt hat, der doch sicherlich nicht als Zwangswirtschaftler gelten
kann. Auch in Deutschland hat man, trotzdem Deutschland sich in
ungleich günstigerer Ernährungslage befindet, die Bewirtschaftung auf
den wichtigsten Gebieten der Ernährung beibehalten.
Wir werden uns den Verhältnissen anpassen müssen, wie dies
schoil dem Charakter der Übergangswirtschaft entspricht, und vorsichtig,
nach und nach ans einzelnen Gebieten abbauen, gleichwie man das in
einem Stauwerke angesammelte Wasser nicht durch Heben der Schleusen
auf einmal ausläßt, wenn man nicht Unheil anrichten will. Die öffent
liche Bewirtschaftung kaun unter den derzeitigen Verhält
nissen nur schrittweise und unter Berücksichtigung des Zusammcn-
hanges und der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Artikel unter
einander abgebaut werden, zunächst dort, wo die Produktion für
den eigenen Bedarf hinreicht. Dies ist bereits geschehen bei Gemüse,
Obst, bei Rauhfutter. Um die Produktion von produktionshemmenden
Wirkungen des Bewirtschaftimgssystems zu befreien, ist das System der
Getreidebewirtschaftung unter Berücksichtigung der Prvduktionserforder-
uisse geändert worden. Hiermit muß Hand in Hand eine vernünftige
Preispolitik gehen. Kurz, das Problem muß bei jedem einzelnen
Artikel untersucht werden, und dann sachlich und zeitlich
entschieden werden.
Wenn demgegenüber immer wieder das freie Spiel der Kräfte,
das Gesetz von Anbot und Nachfrage als einziges Rcmedium gegen
unsere Not angepriesen wird, so wird übersehen, daß alle wirtschaft
lichen Lehren nur eine relative Berechtigung haben und sich nicht
als in jedem Fall anwendbare Rezepte darstellen. An dein Gymnasium, an
dem ich studierte, hatten wir einen alten, lieben Konviktsarzt, der für
alle Krankheiten unserer Jugend, ob es nun Schnupfen oder Typhus
war, ein Universalmittel zur Hand hatte. Ich zweifle, ob die geschwächte
Konstitution der österreichischen Wirtschaft das ihr von gewissen