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Die Entstehung des wirtschaftlichen Imperialismus.
sperre Napoleons sich des V erbotes des Verkehrs zur See mit dem
Feinde bedient. Nach der Verordnung des Privy Council vom 7. Januar 1807
wird jedem Schiffe verboten, von einem feindlichen oder für England
verschlossenen Hafen nach einem anderen dieser Art zu fahren, und jedem
neutralen Schiff, das sich diesem Verbote nach vorangegangener Warnung
nicht fügt, die Wegnahme angedroht. Ja, die Verordnung vom 11. No
vember 1807 erklärte alle Häfen Frankreichs und der an der Kontinental
sperre beteiligten Staaten für blockiert und unterwarf alle dorthin be
stimmten neutralen Schiffe einer Untersuchung durch britische Schiffe.
Die Handelssperre zur See, die unter Englands Führung dem Weltkriege
eine so charakteristische Eigenart verlieh, ist daher nicht ohne Vorbilder
in der älteren Kriegsgeschichte Englands.
Es läßt sich aber zeigen, daß dem Wirtschaftskrieg im engeren
Sinne wirtschaftliche Kampfmethoden im Frieden vorangegangen
sind. Dem Wirtschaftskriege während des Weltkrieges ist durch die
Methoden des wirtschaftlichen Imperialismus in England v o r ge
arbeitet worden.
Die Kampfstimmung wurde in England zunächst durch den
Übergang zum Industriestaat ausgelöst. Im Jahre 1911 waren
nur mehr 11,9 % der Bevölkerung in der Land- und Forstwirtschaft und
Fischerei, dagegen 44,1 % in der Industrie und im Bergbau, endlich
23.1 % im Handel, Verkehr und in der Gast- und Schankwirtschaft
beschäftigt (Harms, Anteil 34). Für den absoluten Industriestaat aber
wurde die Sicherung der Einfuhr von Lebensmitteln und Rohstoffen
sowie der Ausfuhr von Industrieprodukten, insbesondere der monopol
artig entwickelten Baumwoll- und Stahlindustrie, zum Endziel der Wirt
schaftspolitik. Dieser Industrialismus der englischen Volkswirtschaft
schien durch die analoge Entwicklung in Deutschland gefährdet.
Trotzdem der Anteil Englands am Welthandel im Jahre 1885
18.1 %, einschließlich der britischen Kolonien sogar 30,9 % und der
Deutschlands nur 10 % betrug, ist der Anteil Englands bis zum
Jahre 1910 auf 16,9 %, mit den Kolonien auf 27,6 % zurüc k-
gegangen, während Deutschlands Anteil auf 11,5% ge-
s t i e g e n ist (H a r m s, Anteil 79). Man hat von einem Zustand „kapi
talistischer Erschlaffung“ Englands gesprochen (v. Schulze-Gäver
nitz, Britischer Imperialismus und englischer Freihandel, 1906); man
hat ihn auf die technische Rückständigkeit in der Produktion, auf die
geringere Anpassung an die ausländischen Märkte, auf die geringeren
Fähigkeiten des britischen Handelsagenten, auf die Vernachlässigung des
„finish“ bei billigeren Gütern und geringeren Qualitäten, auf die geringe
Berücksichtigung des ausländischen Kreditbedürfnisses, auf die Vernach
lässigung der Reklame, ja schließlich auf ein Nachlassen des Unter
nehmungsgeistes überhaupt zurückgeführt (Sombart, Bourgeois 191).