Full text: Die Deutsche Volksversicherung

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Bei den Verhandlungen wurde der Angelegenheit von den ver 
schiedensten Seiten lebhaftes Interesse entgegengebracht. Man war 
sich von vornherein darüber einig, daß es mit der Gründung von 
örtlich oder sonst irgendwie begrenzten Kassen nicht getan sei. Man 
müsse vielmehr „zum Ganzen streben" und der großen sozialdemokrati 
schen Gründung ein großes nationales Werk gegenüberstellen. 
Auch in den Kreisen der christlichen Gewerkschaften beschäftigte 
man sich bereits im Sommer 1912 mit der Frage der Volksversiche 
rung. Im Vorstande des Gesamtverbandes fanden verschiedentlich 
Erörterungen darüber statt, die schließlich dazu führten, daß die Frage 
auch gelegentlich des Kongresses, der vom 6. bis 10. Oktober 1912 
in Dresden tagte, im Ausschuß des Gesamtverbandes zur Sprache kam. 
Diese Aussprache führte dazu, daß am 17. Oktober 1912 der Verfasser 
den Ausschuß des „Deutschen Arbeiterkongresses" zu einer Tagung 
nach Essen einberief, die am 28. Oktober 1912 stattfand. Die Bericht 
erstattung über die Frage der Volksversicherung hatte Liz. Dr. Schäfer, 
der Direktor der Pfarrer-Pensionskasse „Ecclesia" in Remscheid, über 
nommen. Man befaßte sich hier mit allen Möglichkeiten, die in 
Frage kamen. Insonderheit zog man auch die Frage einer Verstaat 
lichung oder eines Reichsmonopols in die Erörterung hinein und 
kam schließlich zu dem Ergebnis, daß unter allen Umständen eine Form 
gefunden werden müsse, welche die Gemeinnützigkeit des neuen Unter 
nehmens sicherstelle. Es wurde ein Unterausschuß eingesetzt, dem von 
den „christlichen Gewerkschaften" der Reichstagsabgeordnete Becker, vom 
„Deutsch-nationalen Handlungsgehilfenverband" Herr Blobel und 
der Verfasser angehörten. Der Unterausschuß sollte die Frage 
studieren und dem Ausschuß praktische Vorschläge unterbreiten. Auch 
sollte er ihm geeignet erscheinende Maßnahmen selbständig einleiten, 
wozu ihm Generalvollmacht erteilt wurde. 
Wenige Tage später fand zwischen dem Präsidenten des Kaiser 
lichen Aussichtsamts, Dr. Grüner, und dem Reichstagsabgeordneten 
Schiffer eine Besprechung in Hannover statt, an der außer den ge 
nannten beiden Herren noch der Reichstagsabgeordnete Becker, Gene 
ralsekretär Stegerwaldt und der Verfasser teilnahmen. Gegenstand der 
Unterhaltung waren Dr. Gruners Gedanken einer allgemeinen Volks 
versicherung, wie er sie bereits in seiner obenerwähnten Broschüre 
niedergelegt hatte, und der Aufsatz, der im Februar in den „Grenz 
boten" erschienen war. Diese Vorschläge fanden lebhaften Anklang, 
wenngleich man sich darüber einig war, daß sie noch einer weiteren 
Ausgestaltung bedürften. Der Versuch einer der alten privaten Volks 
versicherungsgesellschaften, mit den christlichen Gewerkschaften in Füh 
lung zu kommen, wurde von vornherein abgewiesen. 
Auch der „Verband Deutscher Gewerkvereine (Hirsch-Duncker)" 
war seinerseits nicht untätig gewesen, sondern hatte in der Frage 
bereits nähere Fühlung mit dem Vorsitzenden des „Verbandes Deut 
scher Lebensversicherungsgesellschaften", Regierüügsdirektor von 
Rasp, genommen. 
Demnach steht einwandfrei fest, daß die nationalen Arbeiter 
durchaus nicht im Hintergründe gestanden, sondern zu ihrem Teile 
eifrig an der Lösung der Volksversicherungsfrage mitgearbeitet haben. 
Wenn sie nicht, wie die sozialdemokratischen Gewerkschaften und 
Konsumvereine, selbständig von sich aus vorgegangen sind, so haben
	        
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