dem Tage entgegensehen, an dem das naturwidrige Kartell aufflog.
Was konnte es ihnen schließlich schaden, wenn der Gründer der
öffentlich-rechtlichen Lebensversicherung erklärte, er habe mit den pri
vaten Gesellschaften zu arbeiten versucht; dieser Versuch aber sei
an deren mangelndem Entgegenkommen gescheitert.*)
Das Eingreifen der nationalen Arbeiterschaft.
Bei dieser Sachlage erschien die Gründung einer großen ge
meinnützigen Volksversicherung ernstlich in Frage gestellt. Die Eini
gung zwischen den öffentlichen Anstalten und den privaten Gesell
schaften, soweit sie sich zur Gründung des neuen Unternehmens be
reit erklärt hatten, war durch die Schuld des Herrn Geheimrat Kapp
gescheitert. Ob unter diesen Umständen die Gründer der „Deutschen
Volksversicherung" an dem Plane, den sie am 12. November 1912 ge
faßt hatten, festhalten würden, erschien mehr als zweifelhaft.
In diesem Augenblick sprang die nationale Arbeiterschaft ein.
Sie konnte und wollte nicht dulden, daß die Gründung einer natio
nalen gemeinnützigen Volksversicherung verhindert wurde, für die sich die
nationale Arbeiterschaft eingesetzt hatte und die sie als eine ernste Not
wendigkeit für sich und das Vaterland betrachteten. Am 17. Jan. 1913
hatte Geheimrat Hackelver und der Verfasser im Reichstage eine Be
sprechung, welche die Frage klären sollte, was nunmehr zu tun
sei; insbesondere, ob sich unter den neugestalteten Verhältnissen
die Gründung der „Deutschen Volksversicherung" noch empfehle.
Herr Hackelöer erklärte dem Verfasser, daß, nachdem durch das
eigenartige Verhalten des Herrn Kapp die von den privaten Gesellschaf
ten als notwendig befundene und mit allen Mitteln angestrebte Eini
gung mit den öffentlichen Lebensversicherungsanstalten bewußtermaßen
*) Anmerkung des Verfassers: Wie berechtigt diese Ausführungen sind,
ergibt sich am besten aus folgendem: Als diese Schrift bereits abgeschlossen
war, kam die Nachricht, daß das „Kartell", das sich inzwischen schon den
bescheideneren Namen „Volksveisicherungsverband" gegeben hatte, am
II. November 1913 aufgeflogen ist. Das Abkommen vom II. Januar 1913
gilt danach als aufgehoben; der „Verband der öffentlich-rechtlichen Lebens
versicherungsanstalten" scheidet aus den: Volksversicherungsverbande aus, der
Verband selbst aber wird von den alten privaten Volksversicherungsgesellschasten
fortgeführt. Es hat also genau 10 Monate gedauert, bis das eingetreten ist,
was jeder Eingeweihte voraussah, und was Geheimrat Kapp nicht minder bat
vorauswiffen müffen. Festgehalten werden muß, daß der Gründer und Leiter
der öffentlichen Lebensversicherungsanstalten sich nicht gescheut hat, um dieses
Gebildes wegen, das den Toveskeim schon bei seiner Geburt in sich trug, den Ver
such zu unternehmen, der Gründung einer allgemeinen nationalen und gemeinnützi
gen Volksversicherung so große Schwierigkeiten zu bereiten. Nicht unerwähnt
aber darf bleiben, daß der Austritt der öffentlichen Lebensversicherungsanualten
nicht gerade sehr freiwillig gewesen sein soll. Bereits seit Monaten bestanden Dif
ferenzen in dem „Kartell", die sich schließlich dazu verdichteten, daß eine Reihe von
Kartellmitgliedern die öffentlichen Lebensversicherungsanftalten, die sich nach den
Worten des Geheimrats Kapp als „vom staatlichen Pflicht- und Verantwort-
lichkeitsgefül>l getragene Selbstverwaltungskörperschasten mit behördlichem
Charakter" kennzeichnen, wegen — unlauteren Wettbewerbs gerichtlich belangten.
Wäre Serr Kapp mit seinen Anstalten also nicht freiwillig gegangen, so hätten
seine lieben „Kartellbrüder" andre Mittel und Wege gefunden, ihm den Stuhl
vor die Tür zu setzen. Man könnte über diese Dinge lachen, wenn sie mcht
so bitter ernst wären!