Full text: Denkschrift über die Berechtigung eines interkommunalen Lastenausgleichs in wirtschaftlich zusammenhängenden Gemeinden insbesondere in Groß-Berlin

Behauptung zu kommen, es handele sich bei der Petition der Vorvrw'nur 
um Arbeiterwohngemeinden int Sinne des § 53 KAG., mag mur lsei,^! 
Iduficj erwahnt werden. Die Gemeinde Linden betont, es handele sich 
bei dem gegenwcirtigen Schullastenausgleich nicht um einen ^o^erfall 
der Beziehungen zweier Gemeinden, bei denen das Auseinanderfaltpn v-i» 
Wohnort und Betriebsort zum erheblichen Teil von der Arbeiterschast 
hervorgerufen werde, sondern um erhebliche Ungleichheiten in der Be- 
lastung der Leistungssahigkeit der Gemeinden, die durch die gesamte Ent- 
wicklung der Bevolkerung und des Wirtschastslebens hervorgerufen feien. 
Linden hebt folgerichtig hervor, dah in erster Reihe eine allgemeine, 
das gesamte Staatsgebiet umfassende Regelnng mit dem Ziele, die Leistungs-- 
sahigkeit und Belastung der Gemeinden jedensalls soweit gleich zu ge- 
stalten, dah mindestens die Leistung fur die Bolksschulen gleichmahiger 
and entsprechender werden, zweifellos die beste Losung sei. 
Am 13. Marz 1914 hat die Budgetkommission des Abgeordneten- 
hanses beschlossen, die Regierung zu ersuchen 
1. mit tunlichster Beschleunigung eine Gesetzesvorlage zu machen 
zur Beseitigung des unertraglichen Druckes, welchen die Schul-- 
lasten tests wegen ihrer Hohe, tests wegen ihrer Ungleichmahigkeit 
auf eine groste Zahl der preuhischen Gemeinden und Gntsbezirke 
ausuben; 
2. bei der Vorbereitung dieser Vorlage — unter Aufrechterhaltung 
des kommunalen Charakters der Bolksschulen — vornehmlich 
die Befreiung der einzelnen Schulverbande von der Aufbringung 
der personlichen Volksschullasten in Erwagung zu ziehen und 
dabei auch auf die Beseitigung der noch vorhandenen llngleich- 
heiten und anderer Mihstande im Lehrerbesoldungswesen Be-- 
dacht zu nehmen. 
D a m i t i st die F r a g e der S ch u l l a st e n v e r t e i l u n g ut 
e i it n eu e s Stadium g et ret en, und es i st anz un e hm en, 
das; nunmehr Regierung und Parlament zu einer end- 
lichen R e g e l u it g dieses wichtigen kommunalen Problems 
kommen werden. 
Dast bei dieser Sachlage Berlin und seine westlichen Bororte einen 
besonderett Grund zur Wachsamkeit haben, liegt hinsichtlich des Begehrens 
der „ostlichen Bororte" auf der Hand. Es handelt sich hier nicht allein 
um die Bekampfung eines unberechtigten Bersuches, sich auf Kosten anderer 
zu bereichern, sondern auch um die W a h r u n g des G r u n d s a tz e s 
der S e l b st v e r iv a l t u n g, wie im folgenden noch naher dar- 
gelegt werden wird. Welche wirtschaftlichen Konsequenzen ein etwaiger 
Erfolg der Petenten haben wurde, liiht sich, da der Maststab, 
der der Berteilung der Volksschullasten in Grosz-Berlin zugrunde ge- 
legt werden soil, nicht feststeht, nicht sicher vorausjehen. Rur an- 
nahernd kanu man erkennen, was das Ziel der ostlichen Bor- 
orte ist, wenn man die Aufstellung Anhang II a, die der fruheren 
Petition zuin Zweckverbandsgesetz beigegeben war, betrachtet. Die 
ostlichen Bororte gew'innen, Berlin und die westlichen 
Bororte v e r l i e r e n M i l l i o n e n. Eine Expropriation 
ohne jeden rechtlichen Grund wird beads ichtigt. Dte 
Schullasten geben den Borwand. Wie aber die Mittel, die den. 
gewinnenden Gemeinden in den Schoh fallen, verwendet iverden, 
daruber wunschen sie selbst zu entscheiden. Auf keinem anderen Prinzip 
bauen die Bororte ihr Begehren auf als auf dem, dah es berechtigt set, 
dah der Wohlhabende soviet von dem Semen abgebe, dah der weniger 
Wohlhabende ihm gleich komme, einem Grundsatz, vor dessen Konsequenzen 
auherhalb des Berhaltnisses von Kommune zu Kommune sicherlich auch 
die pelitionierenden Bororte zuruckschrecken wiirden. 
Richtet sich auch unsere Darstellung begreiflicherweise im wesentlichen 
gcgen das Begehren der Bororte, so bars daraus keinessalls 
g e s ch l o s s e n w e r d e n, dah Berlin und seine westlichen 
lLororte dem anderweit mit grohem Eiser propagier- 
ten allgem einen Schullasten au sgleich gegenuber teil- 
n a h m s l o s d a st e h e. Gewih werden die Jnteressen dieser Kommunen 
bei einer allgemeinen Regelung des Schullastenausgleichs nicht allein 
beruhrt, jedoch darf hier namentlich die Berpslichtung 
nicht u b e r j e h e n lv e r d e n , die die g r i> h t e S t a d t d e s S t a a t c s 
nnd ihre an Bedeutung standig wachjenden Bororte 
haben, w a r n e n d die S t i m m e z u e r h e b e n, luenii es sich 
tut tit in handelt, ein vielleicht im Grande berechtigtes 
Ziel, n a m l i ch den n o t l e i d e n d e n Gemeinden z u h e l s e n , 
auf einem gefahrlichen W e g e — auf K o st e it der Burger- 
sreiheit und S e l b st v e rw al t it it g — zu erreichen. 
Zwar ist der Zeitpunkt gegenwartig — wo noch dunkel ist, welchen 
Weg die Staatsregierung vorschlagen wird, um (dem allseitigen Begehren 
cntsprechend) den belasteten Koinmuncu zu helfen — noch nicht gekommen, 
um im einzelnen Stellung zu nehmen, doch darf keine Gemeinde schweigend 
zusehen, wenn die Losung der Frage in einer Weise versucht wird, bei der 
die Ax t an d i e Wu rz el d e r S elb stv e r w altnn g gelegt wird. So 
richtig (wie noch spater gezeigt werden wird) es ist, dah eine Entlaslung der 
Kommune nur dadurch erreicht werden kann, dah der Staat die stir 
die Bolksschule erforderlichen Mittel bereit stellt, so sicher ist es, dah 
es vermieden werden muh, auf einem so eng mit dem kommunalen Leben 
verbun denen Gebiet, wie es die Berwaltung der Bolksschulen ist, noch
	        
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