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Die Malthuslehre
12 Millionen im Jahre 1648.) Viele Landstriche waren völlig ver
heert und menschenleer.
Diese Erscheinungen übten einen mächtigen Einfluß auf die
allgemeinen Anschauungen und die Regierungspolitik aus.
Das bis Mitte des 18. Jahrhunderts herrschende Merkantil
system vertrat den Grundgedanken, daß der Reichtum eines
Landes vorwiegend auf dem Besitz baren Geldes beruhe und
stützte sich dabei auf die Tatsache, daß seefahrende Nationen
und Handelsstädte zu Macht und Wohlstand gelangt waren. Es
begünstigte daher den Handel und alle Produktionszweige, vor
wiegend die Edelmetallproduktion. Die Bevölkerungspolitiker dieser
Epoche bemühten sich, die Volkszahl zu heben, was sie, ähnlich
wie dies schon im Altertum und im Mittelalter geschehen war,
durch Begünstigung der Verheirateten, Prämiierung des Kinder
reichtums, Anreiz zur Einwanderung usw. erstrebten.
Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts bereits brachte dies
bezüglich eine sehr günstige Entwicklung. Fortschritte der Land
wirtschaft, gute Ernten, rasche Entwicklung von Handel und In
dustrie, insbesondere in England, wo große Wirtsehaftsfreiheit
herrschte, begünstigten das Wachstum der Bevölkerung und die
Bildung von industriellen städtischen Zentralpunkten. Damit ent
stand aber auch die Anhäufung von Not und Elend auf engem
Raum.
Und nun erfolgte ein Meinungsumschwung. Als nämlich Ende
des 18. Jahrhunderts das Wachstum der Bevölkerung, zumal in
den Städten, augenfällig wurde, trat an die Steile der bisherigen
Wertschätzung des Volkswachstums die Angst vor der Über
völkerung. Insbesondere nach der großen französischen Revolution
gewann dieser Gedanke Macht.
Dieser Zeit verdankt denn auch die Bevölkerungstheorie
von Malthus ihre Entstehung. Dieser englische Nationalökonom,
der 1766 bis 1834 lebte, legte in seinem berühmten Buch »Essay
on the principles of population«, dar, daß die Vermehrung der
Bevölkerung nicht ins Ungemessene gehen könne, sondern von
der Menge der beschaffbaren Unterhaltsmittel abhängig sei. Das
Werk erschien 1798 in erster, 1888 in neunter Auflage in London
und erlebte auch mehrere deutsche Ausgaben (1807, 1900 und
1905).