Full text: Der Zucker im Kriege

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des Jahres aus der Getreideernte des deutschen Bodens ernähren 
könne, an den übrigen 52 Tagen aber auf Einfuhr angewiesen sei, so 
ist er ohne ernsthaften Widerspruch geblieben. Verschieden waren 
nur die Forderungen, die die beiden gegnerischen Schulen aus dieser 
Tatsache ableiteten. Während die Schutzzöllner hieran die Forderung 
knüpften, den gesamten Getreidebedarf des Volkes auf deutschem 
Boden zu erzeugen, d. h. durch eine Erhöhung der Einfuhrzölle die 
Vorbedingung dafür zu schaffen, daß auch der unter den ungünstigsten 
Verhältnissen bebaute Acker ertragfähig werde, verwarfen die Frei 
händler jede künstliche Steigerung des Ertrages durch Erhebung von 
Zöllen und wollten Erzeugung und Verarbeitung auf diejenigen Er 
zeugnisse beschränken, die in jedem Lande unter Berücksichtigung der 
obwaltenden Verhältnisse am billigsten gewonnen werden könnten. 
Reben den Besorgnissen über die Getreideversorgung Deutsch 
lands im Kriege traten Bedenken wegen der Beschaffung anderer 
Lebensmittel vollständig in den Hintergrund; insbesondere die Zucker 
versorgung Deutschlands als eines der ersten zuckercrzcugenden Länder 
der Welt mußte allgemein als durchaus gesichert erscheinen. 
Die Frage der Deckung des Bedarfs an Getreide als Nahrungs 
und Futtermittel, deren Erörterung vor dem Kriege die Gemüter 
lebhaft bewegte, wurde mit Ausbruch des Krieges und mit der Ab 
sperrung Deutschlands vom Weltmärkte die Daseinsfrage des 
deutschen Volkes. Die Forderungen der Allgemeinheit und die Maß 
nahmen der Regierung waren von dem einen Gedanken beherrscht, 
daß vor allem der Getreideertrag unseres heimischen Bodens größer 
werden müsse. Von diesem Gesichtspunkte aus müssen wir auch die 
Kriegsmaßnahmen der Reichsregierung in der Zuckerwirtschaft, vor 
allem während des ersten Kriegsjahres, betrachten und zu verstehen 
suchen. 
In der Entwicklung der deutschen Zuckerwirtschaft seit Kriegs 
ausbruch lassen sich vier Zeitabschnitte unterscheiden: 
1. Die Zeit vom 31. Juli 1914 bis April 1915 um 
faßt die Maßnahmen zur Überleitung in die Kriegswirtschaft, ins 
besondere zur Beseitigung der durch das Ausfuhrverbot und die 
dadurch bedingte Ansammlung großer Bestände für Industrie und 
Handel hervorgerufenen Schwierigkeiten. Infolge des sichtbaren 
Mangels an Brotgetreide sollen die Anbauflächen für Getreide auch 
durch Beschränkung des Zuckerrübenanbaues eine Mehrung erfahren. 
Als Ersatz für Nahrungs- und Futtermittel gewinnt die Verwendung 
von Zucker steigende Bedeutung; zur Sicherstellung der für die 
Volksernährung benötigten Mengen wird die Erzeugung der Fabriken 
kontingentiert und eine Verteilungsstelle für Rohzucker begründet.
	        
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