Full text: Die oberschlesische Kohlen- u. Eisenindustrie

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neu, blieben jetzt vollends zurück. Die allmähliche Erschöpfung 
der Eisenerzlager des Bezirks und das neuerfundene basische 
Verfahren, für das der mittlere Phosphorgehalt der oberschlesi 
schen Erze nicht geeignet war, in Verbindung mit den durch 
das Thomasverfahren an die Güte des Roheisenprodukts gestell 
ten erhöhten Anforderungen zwang die oberschlesischen Eisen 
hütten, bessere Erze irgendwoher zu beschaffen. Da sie solche im 
Jnlande nicht fanden, so griffen sie notgedrungen auf das Aus- 
j land zurück. In Betracht kamen Rußland und Österreich-Ungarn 
— hier konnte das Erzmaterial nur auf langen teuren Eisen 
bahntransporten herangebracht werden — sowie die Magnet 
eisenerze Schwedens, die von Stettin 570 Kilometer Eisenbahn 
transport oder unter beschränkten Bedingungen einen kombinier 
ten Wasser- und Eisenbahnweg von 720 und 60 Kilometern zu 
rückzulegen hatten. Entstand so durch die enormen Frachten 
eine erhebliche Verteuerung der Produktionskosten, die weder 
Lothringen-Luxemburg noch das im Herzen Europas gelegene 
und mit deni nahen Meer durch die beste Wasserstraße Europas 
verbundene Rheinland-Westfalen zu tragen hatte, so standen 
ausreichende und für Massentransporte geeignete Verkehrsmittel 
Oberschlesien überhaupt nicht zur Verfügung^). 
Die Oderschiffahrt lag infolge der schlechten Wasserverhält 
nisse des Stromes und des Mangels jeder Regulierung völlig 
im argen. Bis in den Jndustriebezirk konnten auf dem verfalle 
nen Klodnitzkanal nur Kähne kleinster Abmessungen gelangen, 
und einen Oderhafen mit größerem Umschlagverkehr gab es bis 
Ende der 1890er Jahre nicht. Die Eisenbahnen waren so das 
einzige Verkehrsmittel. 
Wie erwähnt, hatten vor der vollen Verstaatlichung der 
j oberschlesischen Eisenbahnen (1884) erhebliche Tarifherab- 
setzungen stattgefunden. Da dem Staate dabei keine Kosten er 
wuchsen, hatte er die Jndpstrieinteressen den Eisenbahnen gegen 
über nachdrücklichst unterstützt. Nach der Erwerbung der Eisen 
bahnen aber kam der Staat den tarifarischen Wünschen der Jn- 
1) Generaldirektor Hegenscheidt auf der Kartellenquete 1905, 
20. Juni. (Verhandlungen über die Stahlwerksverbände.)
	        
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