Full text: Die Reichsfinanzgesetzgebung von 1913

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sätze sind volkswirtschaftlich nicht unbedenklich, aber den Ver 
mögensstamm wird der Wehrbeitrag doch nur in Ausnahmefällen 
antasten. Damit entfallen zu einem guten Teil alle die volkswirt 
schaftlichen und finanzpolitischen Gründe, die hei einem derartigen 
Bedarf für Anleihen statt Steuerdeckung sprechen. 
IV. 
Die Vermögenszuwachssteuer 1 ). 
Es ist eine feine Ironie auf unsere finanzpolitischen Verhält 
nisse, daß gerade diejenige Steuer, die der preußische Einanz 
minister noch 1911 in einer Denkschrift auf das Schärfste ver 
urteilte, wenige Jahre später zu einer Reichssteuer werden mußte, 
obwohl sie sich sicher für das Reich noch weniger als für Preußen 
eignet. Das Zustandekommen dieses Besitzsteuergesetzes — das ist 
der Name, unter dem das Gesetz über die Vermögenszuwachssteuer 
im Reichsgesetzblatt veröffentlicht worden ist —- kann nur aus 
den eigenartigen politischen Verhältnissen erklärt werden, unter 
denen die Deckung für die Wehrvorlage beschafft werden mußte. 
Daß eine direkte Steuer bei nächster Gelegenheit dem Reichs 
finanzsystem einverleibt werden würde, das stand seit dem Jahre 
1909 fest. Es konnte sich für die Einzelstaaten nur darum handeln, 
eine Form ausfindig zu machen, die ihre eigenen Einanzquellen 
möglichst unberührt ließ. So verfiel man auf den Gedanken, einen 
Teil des fortdauernden Wehrbedarfs durch sog. veredelte Matri- 
kularbeiträge, die mit 1,25 M. auf den Kopf der Bevölkerung 
bemessen wurden, aufbringen zu lassen. Ein ähnlicher Vorschlag, 
das Besitzsteuerkompromiß Herold, hatte 1909 eine Kommissions 
mehrheit gefunden; er war jedoch von der Regierung entschieden 
bekämpft worden. Jetzt aber verhielt sich die Mehrheit des Reichs 
tags durchaus ablehnend dagegen, daß ihm durch die Regierungs 
vorlage die endgültige Ordnung der fortdauernden Besitzbelastung 
aus der Hand genommen werden sollte. Die Deckungsfrage wurde 
dadurch nicht einfacher. Für einen selbständigen Ausbau der Erb 
schaftssteuer wäre zwar eine sichere Mehrheit vorhanden gewesen, 
und auch der Bundesrat hätte dem zugestimmt; aber auf diesem 
Wege konnten bestenfalls 80 Mill. M. beschafft werden, und eine 
Verständigung über die Aufbringung des Restbedarfes schien un- 
l ) „Entwurf eines Gesetzes, betreffend Änderungen im Finanzwesen nebst 
Begründung“, Beichstagsdruoksache Nr. 872, 13. Leg.-Per., I. Sess. 1912/13.
	        
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