156 Dritter Abschnitt. Einfluß des Konjunkturwandels und der Krisen.
man den Versuch machen, die Mannigfaltigkeit dieser Beziehungen,
welche zwischen Konjunktur, Geldmarkt und Börsenspekulation mög
lich sind, in ein enges Schema zu pressen. Es besteht also jedenfalls
ein enger Zusammenhang zwischen dem Geschäftsgang an der Börse
und den Wandlungen der Konjunktur. Beide beeinflussen sich gegen
seitig. Die wirtschaftliche Konjunktur und ihre Entwicklung hat einen
starken Einfluß auf die Börse und die Börsenspekulation, und die
letzteren beiden üben dann einen starken Einfluß auch auf den Gang
der Konjunktur aus. Das kann sich auf den verschiedensten Wegen
vollziehen. Einmal in der eben dargelegten Weise über den Umweg einer
starken Inanspruchnahme von Bankkrediten, die dann unter besonders
schwierigen Verhältnissen zu einer Rediskontierung von Wechseln
und zu einer starken Belastung der Reichsbank führt.
Der Zusammenhang zwischen Effektenspekulation und Kon
junktur kann aber auch ein ganz anderer sein, worauf bereits Sombart
in seinem Referat zu Hamburg über die Störungen im deutschen
Wirtschaftsleben bei den Verhandlungen des Vereins für Sozialpolitik
hingewiesen hat. Die Effektenspekulation schraubt bei Beginn der
Hausse die Kurse hinauf. Damit entsteht für das Unternehmen, wenn
es demgegenüber keine Entwertung seiner Aktien herbeiführen will,
die Notwendigkeit, seine Dividenden zu erhöhen, um sie den get-
stiegenen Kursen anzupassen. Um dies erreichen zu können, wird
vielfach die Produktion forciert, weil mit steigender Produktions
leistung die Kosten zu fallen pflegen. Ein Weg aber, dieses zu er
reichen, ist die Vergrößerung des Betriebes. In diesem Sinne kann
die Effektenspekulation nicht nur steigernd auf die Produktion, son
dern auch belastend auf den Kapitalmarkt wirken. Denn Betriebs
erweiterungen sind ohne weitere Inanspruchnahme desselben in
der Regel unmöglich. In beiden Fällen werden aber damit durch die
Effektenspekulation Tendenzen ausgelöst, die für einen Umschwung
der Konjunktur nach unten hin wirksam sein können.
Der letzte Punkt, welcher in diesem Zusammenhänge zwischen
Konjunkturbewegung, Geld;- und Kapitalmarkt zu besprechen ist, be
trifft die Zusammenhänge zwischen Konjunkturwandel und Zah
lungsbilanz, d. h. zu dem Umfange der internationalen Zahlungs
verbindlichkeiten 1 ). Es sind zahlreiche Faktoren, welche für die
Höhe dieser Verbindlichkeiten in Frage kommen. Der wichtigste dafür
ist die Handelsbilanz. Es sei auf die oben gemachten Darlegungen
verwiesen, daß in den Zeiten einer aufsteigenden Konjunktur die Ein
fuhr zum Steigen, die Ausfuhr zum Sinken tendiert und daß die Ver-
U Für die Periode 1902—1908 sind diese Zusammenhänge eingehend
von E s s 1 e n a. a. 0. dargestellt worden.