Dev moderne Imperialismus.
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Verwaltung Gelegenheit zu weitgehender Selbstbetätigung finden
wird.
Es sind so eine ganze Reihe der verschiedenstenVorstellungskreise,
die sich des Wortes «Imperialismus» bedienen. Bestrebungen zur Be
gründung von Siedlungskolonien und zur Ausbreitung des eigenen
Volkstums, unter Umständen von der ausgesprochenen Absicht ge
leitet, die Eingeborenenbevölkerung zu vertreiben und zu vernichten,
nennen sich in der gleichen Weise «imperialistische» wie die Versuche,
Eingeborenenreiche zu unterwerfen und unter Ausschluß jeder Sied
lungstätigkeit zu beherrschen. Bewegungen zum bundesstaatlichen
Zusammenschluß eines Mutterlandes mit seinen Kolonien auf der
Grundlage der völligen Gleichberechtigung aller Teilnehmer heißen
ebenso «imperialistische» wie Unternehmungen, deren einziger Zweck
der ist, mit Waffengewalt ein abhängiges Kolonialreich zu begründen.
Jedes Volk, das durch wirtschaftliche Erschließung, politische Be
herrschung oder kriegerische Eroberungen über seine Landesgrenze
hinausstrebt, gibt an, imperialistische Ideale zu verfolgen. Je nach
den Möglichkeiten, die sich dieser nationalen Ausbreitung bieten
— sei es Auswanderung in leerstehende Gebiete oder Beherrschung
eingeborener Völkerschaften —, muß natürlich die Erscheinungsform
dieses Imperialismus wechseln.
Soweit man nun in der Tat unter Imperialismus nichts anderes
versteht als den Versuch, eine Herrschaft (imperium) über fremde
Völker zu begründen oder eine solche auf ein Gebiet auszudehnen,
das man mit den eigenen Volksgenossen auffüllen möchte, ist diese
Auffassung richtig. Dann ist der moderne Imperialismus nichts
anderes als eine auf der Anwendung moderner Hilfs- und Macht
mittel beruhende Ausbreitungsbewegung. Sie unterscheidet sich von
früheren, auf die Begründung solcher Herrschaftsverhältnisse ab
zielenden Bewegungen nur dadurch, daß sie sich einer modernen
Technik bedient und sich meist gegen verhältnismäßig tiefstehende
Bevölkerungen richtet. Man mag ihr außerdem zubilligen, daß sie,
soweit die Unterwerfung solcher Bevölkerungen in Frage steht, sich
nicht bloß deren Ausbeutung, sondern auch in gewissem Sinne deren
soziale Erziehung zum Ziele setzt. Es ist so zweifellos in den mo
dernen Ausbreitungsbewegungen, neben aller eigensüchtigen Aus
beutungslust, doch der Gedanke der sozialen Hebung, die Vorstellung
einer Kulturmission enthalten.