3. Kapitel. Deutsche Vermögensrechte in Italien bis Juni 1916. 89
Die Regierung selbst bestärkte übrigens durch ihr eigenes Verhalten die öffentliche
Meinung, daß keine Zahlungen mehr nach dem Ausland geleistet werden dürfen,
1 Die Folgen der letzten Dekrete waren weitgehende. Auch die
| bis Ende des Jahres 1915 durch Korrespondenz von der Schweiz aus
noch möglich gewesene Mitarbeit deutscher Interessenten an ihren Unter-
nehmungen in Italien wurde fast unmöglich. Die Idee, daß es überhaupt
verboten sei, für deutsche private Vermögensinteressen in Italien tätig
zu sein, beherrschte immer mehr Behörden, Zensurstellen und Geschäfts-
welt. Anonyme Denunziationen gegen Firmen, des Inhaltes, sie stehen
mit deutschen Interessenten in Verbindung, genügten zu Strafunter-
suchungen verbunden mit Hausdurchsuchung. Oft war die Ausweisung
neutraler Vertreter und Angestellter — insbesondere von Schweizern —
die Folge. Ganz schwierig gestaltete sich die Lage der deutschen Ge-
sellschafter von Firmen in Italien, selbst wenn diese Unternehmungen
nach italienischem Rechte konstituiert sind.
Da eine Beteiligung eines Aktionärs, auch durch einen Vertreter, an einer General-
versammlung einer Aktiengesellschaft in Italien nur möglich ist, wenn eine bestimmte
Zeit zum voraus die Aktien bei einer Hinterlegungsstelle — gewöhnlich bei einer Bank in
Italien — deponiert werden, so ist die Ausübung des Aktienrechtes, wenn ‘die Aktien nicht
in Italien liegen, unmöglich geworden. Die Aktien können nicht nach Italien gebracht
werden.
Auch sonst werden Gesellschaften mit deutschem Kapital Schwierigkeiten bereitet.
In einem Fall sollte eine Einzelfirma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden,
Alle vom Gesetz vorgeschriebenen Formalitäten waren erfüllt. Zuletzt weigerte sich aber
die Regierung ihre Zustimmung zur Publikation der Eintragung gemäß Art. 95 des cod.
di commercio zu geben, weil sie befürchtete, die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft
sei nur erfolgt, um das beteiligte Vermögen leichter ins Ausland bringen zu können.
Gleich verhielt es sich mit der Einlösung von Zins- und Dividenden-
scheinen. Soweit es überhaupt noch möglich war, daß mit Zustimmung
und Kenntnis der italienischen Behörden deutsche Kaufleute und In-
dustrielle in Italien arbeiteten — es gibt einzelne Fabriken mit deutschem
Kapital, von denen einzelne mehrere hundert italienische Arbeiter be-
schäftigen, für welche die Schließung der Fabrik ein großes Unglück be-
deuten würde —, so drohte doch Gefahr von Seiten der Verbündeten Italiens.
Die englische Regierung setzte die betreffenden Häuser auf ihre schwarze
4 Läste, boykottierte sie und bedrohte jeden, der sich in geschäftliche Trans-
aktionen mit dem verfehmten Hause einließ, mit dem gleichen Schicksal.
| Selbst die großen italienischen Banken konnten sich diesem Einfluß von englischer
| _ Seite nicht entziehen. Die englischen Handelsagenten üben überhaupt in Italien die
schärfste Kontrolle darüber aus, daß in keiner Weise deutsche Vermögensinteressen
geltend gemacht werden, damit — wie ein Bericht der englischen Handelskammer in
Italien meint — „the present imparalleled opportunity for British trade with Italy“ nicht
unbenützt vorübergeht.
Gläubiger, im konkreten Falle die Auszahlung eines Sparkassenguthabens, verbiete.
Der Minister erteilte darauf am 9. Mai 1916 durch Verbalnote der schweizerischen Gesandt-
schaft in Rom als Vertreter der gefährdeten deutschen Interessen die erwähnte Antwort.