Jöhlinger,
äusserstgefährlich halte und zwar aus folgendem Grunde:
Solange wir reichlich bis zu jedem erforderlichen Betrage Geld borgen
können, breitet sich ein trügerischer Wohlstand über das ganze Land
aus, und statt Opfer zu bringen, steht sich das Volk eigentlich besser
als je zuvor. Neulich besuchte mich ein Kaufmann aus Glasgow, der
mir sagte, dass in Glasgow niemals ein solcher Wohlstand geherrscht
habe wie jetzt. All das beruht auf ungesunder Grundlage und sowie
die Zeit kommt, wo wir nicht mehr unbegrenzt Anleihen aufnehmen
können — sie kommt sicherlich, wenn der Krieg lange dauert — dann
wird der ganze darauf errichtete Bau verschwinden und wir werden
ein neues Mittel finden müssen, um den Krieg weiterzuführen, wenn
er weitergeführt werden soll.“
Russland.
Im Gegensatz zu Frankreich wie auch den anderen europäischen
Staaten war in Russland die Wirtschaftslage vor Kriegs-
ausbruch keineswegs ungünstig. Es kann sogar gesagt werden, dass
die Verhältnisse sich im Zarenreiche seit dem Russisch-Japanischen
Kriege stellenweise recht erheblich gebessert haben. Gefördert wurde
dieser Gesundungsprozess vor allem durch eine Reihe grosser Ernten,
die viel Geld in das Land gebracht, den Wohlstand der Bevölkerung
vermehrt und die Kassen der Reichsrentei gefüllt hatten. Hinzu kam,
dass sich auch die Folgen einer vernunftgemässen Politik, die durch
den Minister Witte inauguriert worden war, segensreich bemerkbar
machten. Hier war es namentlich die Goldthesaurierungspolitik, die
günstig wirkte. Ein industrieller Aufschwung in weiten Gebieten des
Landes war unverkennbar. Ja_ vielfach wollte man sogar einen
schnelleren Grad des Aufschwunges in Russland als in Deutschland
bemerkt haben, Alles dies zusammen bewirkte, dass sich der russische
Etat verhältnismässig günstig gestaltete, dass der ordentliche Etat
sogar mehr als einmal mit Ueberschüssen gearbeitet hatte, während
freilich der ausserordentliche Etat regelmässig Zuschüsse verlangte.
Aber es fehlte auch nicht an Schattenseiten in der russischen Finanz-
wirtschaft, so insbesondere die Tatsache, dass ein Drittel der Staats-
einnahmen für Rüstungszwecke Verwendung fand u.a. m:
So wurden z. B. jährlich rund 2 Milliarden Mark für militärische Zwecke
Ausgegeben, eine Summe, die in gar keinem Verhältnis zu den sonstigen
Aufwendungen des Zarenreiches stand. Immerhin trat nach aussen
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