Die Aufgaben und die Tätigkeit der Krüppelfürsorgestellen
unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse des
Industriebezirkes.
Von Or. Klostermann, Krüppelarzt, Gelsenkirchen.
Bei den ersten Verhandlungen über die Ausführungsbesstimmun-
gen zum Preußischen Gesetz vom 6. Mai 1920 betreffend die öffent-
lihe Krüppelfürsorge sagte der damalige Minister für Volkswohl-
fahrt: „Jedes neugeschaffene Gesetz ist zuerst nur ein beschriebenes
Blatt Papier, Geist und Leben kommen erst hinein durch die Art der
Ausführung.“ Mit diesen Worten schloß ich meinen Vortrag, den ich
im November 1921 bei der Tagung der Krüppelfürsorgestellen in der
Provinz Westfalen über dasselbe Thema gehalten habe.
Wenn wir uns nun heute, nachdem das Gesetz ungefähr fünf
Jahre in Wirksamkeit ist, nochmals unterhalten wollen, was an Leben
in die Gesetzesparagraphen hineingetragen ist, so können wir mit
9Iroßer Freude feststellen, daß das Gesetz kein totes Papier geblieben
ist, sondern durch eine Hilfsbereitschaft aller Beteiligten zu einem
lebensvollen Ganzen ausgewachsen ist. Das bedingt eine große Menge
offener Fragen, die im Laufe der Jahre aufgetreten sind, eine Be-
fruchtung des ärztlichen Bereichs und eine Erweiterung der Auf-
gaben in den Wohlfahrtsanstalten, eine genauere Einstellung und
Anpasssung des amtlichen Verkehrs. Diese Fragen werden nicht nur
öwischen den amtlichen Stellen und den Trägern der Wohlfahrtsein-
richtungen erwogen, sondern von Zeit zu Zeit versammeln sich alle
diejenigen zu einem deutschen Kongreß, deren Tätigkeit mit der
Krüppelfürsorge in Berührung kommt. Unsere heutige Aufgabe
wollen wir aber nicht durch allzuviel offene Fragen belasten, sondern
wollen uns beschränken auf die in der überschrift angegebenen Auf-
9aben, die den Krüppelfürsorgestellen zufallen und wollen besonders
treuf eingehen, wie sich ihre Tätigkeit im Industriebezirk ge-
et hat.
Das Gesetz sagt im § 8: „Jeder Stadt- und Landkreis hat min-
destens eine Fürsorgestelle für Krüppel zu schaffen oder sich einer
solchen anzugliedern. Die dichte Besiedlung des Industriebezirkes hat
über diesen Paragraphen hinausgehen müssen, weil es nicht möglich
war, in einer Krüppelfürsorgestelle all das zu vereinen, was viele
Stadt- und Landkreise an Krüppeln bergen. So hat z. B. der Land-
kreis Gelsenkirchen drei selbständige Krüppelfürsorgestellen, welche