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Lähmung durch Quecksilbereinreibungen und Schwitzkuren zu fördern.
Ferner wird Lagerung auf Gipsbett zur Entlastung der Wirbelsäule
empfohlen, doch nicht immer vertragen. Anwendung des galvanischen
Stromes im ersten Jahre mit Unterbrechungen, Massage, passive und
soweit möglich aktive Gymnastik, behüten die Muskeln vor fortschrei-
tender Abmagerung und kräftigen die benachbarten und nicht ge-
lähmten Muskeln, um für die gelähmten eintreten zu können. Auf
diese Weise kann aus den gelähmten Extremitäten oft noch erstaunlich
viel herausgeholt werden. Die genannten übungen, namentlich die
Gehübungen können durch einfache, leicht herstellbare Apparate viel-
fach wirksam unterstützt werden.
Der epidemischen Kinderlähmung kann die syphilitische Kinder-
lähmung bei angeborener Lues (Thrombose der Gehirngefäße mit plötz-
lich eintretender Halbseitenlähmung, ferner Lues der Stammganglien)
zum Verwechseln ähnlich sein. Die klinischen Zeichen der angeborenen
Spätsyphilis sind zu einem guten Teil uncharakteristisch und diagnostisch
schwierig. In allen zweifelhaften Fällen muß aber versucht werden,
die Diagnose durch fachärztliche Untersuchung zu sichern, weil sie für
die Behandlung von entscheidender Bedeutung ist.
Bei allen Arten von Lähmungen, besonders bei den spastischen ist
es von besonderer Wichtigkeit, daß die Eltern sich durch einen Facharzt
(Orthopäden) über die Pflege des Kindes belehren lassen. So kann
z. B. durch richtige Lagerung des Kindes eine Beugetontrattur an
Hüft- oder Kniegelenk verhindert werden, die sonst später der Be-
handlung große Schwierigkeiten bietet.
Eine große Zahl von Krüppeln verdankt ihr Leiden Unglücks -
fällen des täglichen Lebens, namentlich bringen Industrie und Ver-
kehrswesen der körperlichen Unversehrtheit große Gefahren. Die Un-
fallverhütung ist zuerst in Deutschland als wichtiger Bestandteil der
Unfallversicherung auf gesetzliche Grundlage gestellt worden. Das Ver-
ständnis für die Durchführung unfallverhütender Maßnahmen ist aber
vielfach noch gering, sowohl bei Arbeitgebern wie bei Arbeitnehmern.
Jeder Mensch soll die gesundheitlichen Gefahren in seiner täglichen
Umgebung und Beschäftigung genau kennen und muß sich darüber be-
lehren lassen, bevor er die Arbeit aufnimmt. Der stetig wachsenden
Zahl der Verkehrsunfälle kann nur Einhalt geboten werden durch
strengste Beachtung der Verkehrsvorsschriften, für welche das Ver-
ständnis schon in den Schulen geweckt werden muß. Hat doch die
Statistik ergeben, daß fast die Hälfte aller durch Verkehrsunfälle zu
Schaden Gekommenen noch nicht das 18. Lebensjahr erreicht hatte.
In England und Amerika ist seit Jahren eine planmäßige Er-
Ziehung zur Unfallverhütung mit großem Erfolge durchge-
führt. Gute Kenner Amerikas versichern, der starke Automobilverkehr
dort würde unerträglich sein ohne das Alkoholverbot. Es ist ja be-