Full text: Bolschewismus, Fascismus und Demokratie

Maße oder wenigstens so, daß von individuellen Interessen diktierte Kriegs- 
unternehmungen nicht zu befürchten sind. 
Haben die Erfahrungen des Krieges etwas gelehrt? Ist die Zeit der ge- 
heimen Diplomatie vorüber ? Sind keine individuellen Unternehmungen mehr 
zu befürchten ? Werden trotz dem Völkerbund keine Verträge und Bündnisse 
mehr geschlossen, welche neue Kriege herbeiführen könnten? Ich wage es 
nicht, mich darüber auszusprechen. 
Zehn Millionen Menschen haben den Tod gefunden ; über tausend Milli- 
arden sind verschleudert worden ; eine ungeheuere Zahl von Verstümmelten 
und Verwundeten hat die produktive Kraft Europas geschwächt; der euro- 
päische Kontinent ist balkanisiert worden, und Europa hat nicht mehr die 
Führung in der Zivilisation der Welt. Dies Alles ist das Werk weniger Men- 
schen gewesen. Nicht einmal jetzt, nach so langem Krieg, hassen sich die 
Völker. Wenn nicht die Wirkung einer gewissenlosen Presse wäre und auf 
der Weltbühne nicht noch so viele von denen ständen, die mit der schwer- 
sten Verantwortung belastet sind, würde eine Aktion für wirklichen Frieden 
überall versöhnungsbereite Seelen finden. 
Nach der Sicherung ihrer inneren Freiheit waren die großen Demokratien 
schon vor dem Kriege mit wirtschaftlichen Kämpfen beschäftigt und maßen 
den Problemen der äußeren Politik nur geringe Bedeutung bei. Aber es 
waren gerade die Irrtümer der äußeren Politik, welche den Krieg herbei- 
führten, und der Krieg hat die Krise für Freiheit und Demokratie verursacht. 
So lange fortwährende Kriegsgefahr besteht, ist die Freiheit bedroht. Die 
Staaten streben nach Macht und nicht nach Entwicklung ; die Probleme der 
Sicherheit sind ihnen dann wichtiger als die des sozialen Lebens. Für den 
Frieden wirken heißt für die Freiheit wirken. Für die Vereinigung der Völker 
wirken heißt für das Leben der Demokratie innerhalb jeden Volkes wirken. 
Das riesige Phänomen einer Reaktion der Unordnung, welches sich unter 
verschiedenen Formen fast überall zeigt, hat gleiche Herkunft und Ursachen. 
Wir haben geglaubt, Wilhelm II. niederzuschlagen, den miles gloriosus, 
den prahlerischen Soldaten, der mit seinem Schwerte auch ohne Anlaß drohte, 
der die Bibel und die Reaktion gegen die demokratische Seuche beschwor, 
der den Ruhm blutdürstiger Hunnen vor den nach China ziehenden Truppen 
pries. In der Tat haben wir ihn auch besiegt; die Völker, welche sich gegen 
ihn im Namen der Freiheit und der Demokratie verbündet hatten, haben ihn 
niedergeschlagen. Aber er hat sich gerächt. Der Giftkeim seiner Ideen hat 
die Seelen der meisten seiner Feinde angesteckt. Es gibt Völker, die die Reak- 
tion proklamieren, andere, die sie vollziehen, und andere, die sie begehren, 
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