ZWEITES KAPITEL
DIE VORSCHRIFTEN DES VERTRAGES
So unbestimmt der Vertrag von Versailles die Reparations-
pflichten Deutschlands gelassen hat, so umfangreich und ver-
wickelt hat er sie gestaltet, Ich will versuchen, sie im folgenden
so kurz wie möglich zusammenzufassen,
Der Vertrag bestimmt nur die Art und nicht die Höhe der
Schäden, für die Deutschland Ersatz zu leisten hat, Er macht
Deutschland grundsätzlich für alle Kriegsschäden der Alliierten
verantwortlich, weil es mit seinen Verbündeten ihnen den Krieg
aufgezwungen habe (Art, 231), beschränkt dann aber wegen des
deutschen Unvermögens zum Ersatz aller Kriegsschäden die Ver-
pflichtung auf eine Reihe bestimmter Schäden (Art. 232 und
Anhang I dazu). Dabei ist das Wilson-Programm — Schäden der
Zivilbevölkerung durch den Angriff Deutschlands zu Lande, zu
Wasser und aus der Luft — zwar zitiert, jedoch in demselben
Satze dadurch entwertet worden, daß Deutschland allgemein alle
Schäden ersetzen sollte, die in dem Anhang I zu Art, 232 auf-
gezählt sind, Darunter fallen auch die Pensionen und alle
sonstigen Aufwendungen der alliierten und assoziierten Re-
gierungen für die Mitglieder ihrer Heere und deren Angehörige,
Die Festsetzung der Höhe aller dieser Schäden wurde einem
interalliierten Ausschuß, der Reparationskommission, zugewiesen,
Diese sollte bis zum 1, Mai 1921 den Gesamtbetrag der Schäden
bestimmen und ihn der deutschen Regierung als Gesamtsumme
ihrer Verpflichtungen bekannt geben. Gleichzeitig sollte die
Kommission einen Zahlungsplan aufstellen und angeben, in
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