Full text: Denkschrift über die Maschinenindustrie der Welt, bestimmt für das Komitee B des Vorbereitenden Ausschusses der Internationalen Wirtschaftskonferenz des Völkerbundes

in der Industrialisierung befindlichen Länder hierbei auch eine eigene Maschinenindustrie 
entwickeln und damit in absehbarer Zeit den bisherigen Maschinenindustrien eine ver- 
hängnisvolle Konkurrenz bereiten und alle jetzt so verlockenden Ausdehnungsmöglichkeiten 
abschneiden werden. 
Diese Frage legt es nahe, kurz zu untersuchen, welche Bedingungen für die Entstehung 
einer voll ausgebildeten Maschinenindustrie innerhalb einer Volkswirtschaft unentbehrlich 
oder doch besonders günstig sind. 
1. Zunächst kann normalerweise eine eigene ausreichende Eisenerzeugung innerhalb des 
gleichen Landes als gesunde Grundlage einer international konkurrenzfähigen Eisenver- 
arbeitung betrachtet werden. Die Eisenerzeugung wiederum, wenn sie auch ihrerseits 
gesund und konkurrenzfähig sein soll, bedarf einer entsprechenden Rohstoffgrundlage. Als 
Rohstoffgrundlage für die Eisen- und Stahlerzeugung kommt vor allem in Frage: verkok- 
bare Kohle (ausnahmsweise für die Stahlerzeugung durch elektrischen Strom aus Wasser- 
kräften ersetzbar), Erz und Schrott. Ohne das ausreichende Vorhandensein mindestens 
zweier‘ dieser Grundlagen im eigenen Lande hat sich, wie es scheint, bisher eine beträcht- 
liche Eisenerzeugung nirgends entwickeln können. 
Zwar befanden sich die Eisenverarbeiter in Ländern ohne eigene Eisenerzeugung und 
ohne Eisenzölle bisher sogar im Genuß niedrigerer Eisenpreise als die Eisenverarbeiter in 
Ländern mit eigener zollgeschützter und kartellierter Eisenproduktion, solange unter den Eisen 
schaffenden Industrien der verschiedenen Länder ein unbeschränkter internationaler Wett- 
bewerb bestand. Dieser Vorteil für die Verarbeiter in den Ländern ohne eigene Eisen- 
erzeugung wird sich aber verringern, je weiter die in Gang befindliche internationale Kar- 
tellierung der Eisenerzeuger fortschreitet; damit gewinnt das Vorhandensein einer aus- 
reichenden Eisenerzeugung im eigenen Lande mehr und mehr ihre natürliche Bedeutung 
wieder zurück. 
2. Die Maschinenindustrie bedarf in besonderem Maße einer hochgelernten, intelligenten 
und anpassungsfähigen Industriearbeiterschaft. 
3. Die wissenschaftliche mathematisch-physikalisch-technische Forschung und das tech- 
nische Schulwesen aller Grade muß entwickelt sein, um eine produktive Mitarbeit am Fort- 
schritt der maschinellen Technik zu ermöglichen und die von der Maschinenindustrie be- 
nötigten Ingenieure und Techniker ausbilden zu können. 
4. Die Maschinenindustrie bedarf eines Innenmarktes von erheblichem Umfange, nicht 
nur, wie das für jeden Produktionszweig wünschenswert ist, des gesicherten Absatzes wegen, 
sondern ganz besonders auch noch deshalb, weil gerade für eine Produktionsmittelindustrie 
der dauernde unmittelbare Zusammenhang und Erfahrungsaustausch mit Benutzern der 
Produktionsmittel ein wesentliches und unumgängliches Erfordernis ist. 
Die unter 2., 3. und 4. aufgezählten Erfordernisse sowie das unter 1. erwähnte des 
Schrottentfalles scheinen vorauszusetzen, daß die übrige Wirtschaft eines Landes bereits zu 
einem erheblichen Grade industrialisiert sein muß, ehe an die erfolgreiche Entwicklung einer 
eigenen Maschinenindustrie gegangen werden kann. Diese vorherige Industrialisierung der 
übrigen Wirtschaft aber ist inzwischen naturgemäß auf Einfuhr ihrer Produktionsmittel an- 
gewiesen. 
Ist aber mit Hilfe eingeführter Produktionsmittel die Industrialisierung der übrigen 
Volkswirtschaft eines Landes hinreichend weit durchgeführt, und beginnt auf dieser Basis 
eine eigene Maschinenindustrie sich zu entwickeln, so ist auch dieses letzte und erst nach 
geraumer Zeit erreichbare Entwicklungsstadium für die Maschinenindustrien der älteren 
Industrieländer keineswegs in irgendeiner Weise bedrohlich. Denn beim Maschinenwelt- 
handel ist, wie oben unter C nachgewiesen, trotz der hierfür ungünstigen Nachkriegsentwick- 
lung der gegenseitige Austausch der Maschinen erzeugenden Länder untereinander nach 
wie vor wesentlich wichtiger als die Ausfuhr nach den sich industrialisierenden Ländern. 
Die Maschinen produzierenden Länder sind sich gegenseitig ihre besten Kunden. 
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