2 Einleitung
aristokratie derselben Periode durchaus verwandt macht“. Der
cCharakteristischste Zug dieser Schicht, der sie sowohl vom Prole-
tariat als auch von der Bourgeoisie anderen Typs scharf trennt,
ist, wie wir bereits sahen, ihre Entfremdung vom Wirtschafts-
leben: sie nimmt weder an der Produktionstätigkeit noch am
Handel unmittelbaren Anteil: ihre Vertreter schneiden oft sogar
die Kupons nicht selbst ab. Man kann deshalb das Gebiet der
Tätigkeit‘ solcher Rentner am allgemeinsten als die Sphäre
des Verbrauchs bezeichnen. Der Verbrauch bildet die
Grundlage des ganzen Lebens der Rentner und die Psychologie
„des reinen Verbrauchs‘ verleiht diesem Leben ihren besonderen
„Stil“. Der konsumierende Rentner hat ausschließlich Reitpferde,
Teppiche, duftende Zigarren, Tokaier Wein vor Augen. Wenn er
einmal von Arbeit spricht, so meint er damit die „Arbeit“ des
Blumenpflückens oder der Besorgung einer Theaterkarte“. Die
Produktion, die Arbeit, die zur Erreichung von materiellen Gütern
erforderlich ist, liegt außerhalb seines Gesichtsfeldes und ist dem-
nach für ihn etwas Zufälliges. Von echter, aktiver Tätigkeit ist
bei ihm keine Rede: seine ganze Psyche weist passive Farbentöne
auf; die Philosophie, die Aesthetik dieser Rentner ist rein anschau-
licher Art: es fehlen darin die für die Ideologie des Proletariats
so typischen aktiven Elemente. Das Proletariat lebt nämlich in
der Sphäre der Produktion, kommt in direkte Beziehung zur
„Materie“, die sich für ihn in „Material“, in ein Objekt der Ar -
beit verwandelt. Es sieht unmittelbar das riesenhafte Wachs-
tum der Produktionskräfte der kapitalistischen Gesellschaft, die
neue, sich immer mehr entwickelnde Maschinentechnik, die es
gestattet, immer größere Mengen von Waren auf den Markt zu
schleudern, deren Preise desto mehr sinken; je weiter und tiefer
2% Eine Charakteristik dieser Klassen können wir bei Sombart in seinem
„Luxus und Kapitalismus“ (Verlag Duncker & Humblot, 1903) besonders
S. 103, 105 ff. finden. Dies hindert aber Charles Gide nicht, zu behaupten,
daß „der Müßiggang nur eine gut verstandene Arbeitsteilung“ sei, denn „schon
die Alten hielten es für notwendig, daß die Bürger ihre ganze freie Zeit für
die Beschäftigung mit Staatsgeschäften frei hätten“ (Charles Gide: „Grund-
züge der politischen Oekonomie“, zit. nach der russischen Uebersetzung von
Scheinis, Petersburg 1896, S. 288). Aber auch die Sklaverei hielten die
Alten für eine durchaus „notwendige Institution‘“ und eine „gut verstandene
Arbeitsteilung“. In der Verherrlichung der Sklaverei bleiben also die Herren
Oekonomisten der Bourgeoisie durchaus nicht hinter den „Alten“ zurück.
22 Die Beispiele sind durchweg dieselben, mit denen Böhm-Bawerk seine
Werttheorie illustriert.
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