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jenige konkrete Inhalt der abstrakten Methode, der der öster-
reichischen Schule eigen ist und sie in einen so scharfen Gegen-
satz zum Marxismus setzt.
Die politische Oekonomie ist nämlich eine Gesellschafts-
wissenschaft und hat zur Voraussetzung — ob sich dessen die
Theoretiker der politischen Oekonomie bewußt werden oder nicht
— irgendwelche Vorstellung über das Wesen der Gesellschaft und
deren Entwicklungsgesetze. Anders gesagt: Jede Wirtschafts-
theorie beruht auf gewissen Voraussetzungen, die einen sozio-
logischen Charakter besitzen und von denen aus die wirt-
schaftliche Seite des sozialen Lebens untersucht wird. Solche
Voraussetzungen können klar ausgesprochen werden oder unklar
bleiben, sie können als wohlgefügtes System aufgestellt werden
oder „unbestimmte Ansichten‘ bleiben — auf alle Fälle müssen
sie aber da sein. Die politische Oekonomie von Marx hat eine
derartige Grundlage in der soziologischen Theorie des
historischen Materialis mus. Dagegen kennt die öster-
reichische Schule keine abgeschlossene oder einigermaßen präzise
soziologische Grundlage; die Spuren einer solchen muß man erst
aus der Wirtschaftstheorie der Oesterreicher konstruieren. Dabei
stößt man mitunter auf Widersprüche zwischen den allgemeinen
Grundgedanken über die Natur der „Volkswirtschaft“ und den
tatsächlichen Grundlagen der österreichischen Wirtschafts-
theorie”, Auf diese richten wir deshalb unser Hauptaugenmerk.
Für den Marxismus sind folgende soziologische Grundlagen der
ökonomischen Wissenschaft charakteristisch: Die Anerkennung
des Primats der Gesellschaft über das Individuum, die Anerken-
nung des historischen, vorübergehenden Charakters einer jeden
Wirtschaftsstruktur und endlich die Anerkennung der dominie-
renden Rolle der Produktion. Dagegen ist für die österreichische
Schule ihr methodologischer Individualismus bezeichnend, der un-
historische Standpunkt und der Ausgangspunkt vom Verbrauch.
In der „Einleitung‘“ versuchten wir für diesen grundsätzlichen
Unterschied zwischen dem Marxismus und der österreichischen
Schule eine sozial-genetische Erklärung zu geben: diesen Unter-
schied oder, richtiger gesagt: diesen Gegensatz, charakterisierten
wir als einen sozial-psychologischen Gegensatz. Hier
soll er von der logischen Seite aus analysiert werden.
? Vgl. z. B. S. 259 der „Untersuchungen“ K. Mengers, wo ziemlich rich-
tige Definitionen von einem wirklichen Ausgangspunkt der Theorie aus ge-
geben werden. Die höchste Stufe ihrer Selbsterkenntnis fand die Grenz-
nutzentheorie bei Liefmann: „Ueber Objekt, Wesen und Aufgabe der Wirt-
schaftswissenschaft“, Conrads Jahrb. 13, 106.